Drei Gründe, die für den SBB-Entscheid sprechen
Die Welt erholt sich langsam von der grössten Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren. Euroland steht vor ungewissen Zeiten mit Währungsturbulenzen und gewaltigen Staatsschulden. Jede vernünftige Regierung versucht, so viele Arbeitsplätze wie möglich im eigenen Land zu schützen – nur die Schweiz nicht. Die staatliche SBB vergeben einen 1,9 Milliarden Franken schweren Auftrag an das kanadische Unternehmen Bombardier und lassen die Schweizer Stadler Rail im Thurgauer Regen stehen. Sind wir eigentlich Deppen? Oder naive Gutmenschen? Nein. Drei Gründe, warum die SBB richtig entschieden haben:
Erstens: Die Schweizer Wirtschaft ist auf Gedeih und Verderb auf den Export angewiesen. Wir gehören zu den Ländern mit den höchsten Anteilen des Aussenhandels am Bruttoinlandprodukt. Die jüngsten definitiven Zahlen aus der Handelsbilanz des Jahres 2008 zeigen, dass die Schweiz Waren für mehr als 206 Milliarden Franken ausgeführt und dabei einen Überschuss von rund 20 Milliarden Franken erwirtschaftet hat. Die Schweiz hat somit ein vitales Interesse an einem freien Handel und muss sich folglich auch an dessen Regeln halten. Diese Regeln sehen vor, dass Grossaufträge international ausgeschrieben werden müssen und das beste Angebot zum Zug kommt. Anscheinend hat Bombardier eine bessere Offerte eingereicht als die Stadler Rail von Nationalrat Peter Spuhler.
Zweitens: Bombardier tönt zwar französisch und ist kanadisch, das Unternehmen hat aber auch Schweizer Blut. 1997 sind die Vevey Technologies von Bombardier geschluckt worden, 2001 die Adtranz, die gemeinsame Transporttochter von ABB Daimler Benz. Dazu gehörten etwa die letzten Reste der einst legendären MFO (Maschinenfabrik Oerlikon) und die Waggonfabriken in Turgi und Pratteln. Die 59 Doppelstockschnellzüge der SBB werden somit auch für Schweizer Arbeitsplätze sorgen, allerdings sind es deutlich weniger, als wenn Stadler Rail den Auftrag bekommen hätte.
Drittens: Die Schweiz ist bisher erstaunlich gut durch die Wirtschaftskrise gekommen. Sie hat unter anderem von den Konjunkturprogrammen der grösseren Staaten profitiert, beispielsweise von der Verschrottungsprämie der Deutschen. Hätte die Schweiz den SBB-Auftrag aus nationalistischen Gründen an die Stadler Rail vergeben, hätte sie möglicherweise mit Retourkutschen rechnen müssen, zumal Nationalismus und Protektionismus in diesen unsicheren Zeiten auf dem Vormarsch sind.
Quelle: tagesanzeiger.ch vom 12.05.2010