Die Verlängerung der Tramlinien 3, 11 und 8 würde 79 Millionen Franken kosten. Das Hauptproblem sind die Betriebskosten. Seit Kurzem laufen konkrete Diskussionen zwischen Basel, Saint-Louis und Weil über die Projekte.
Jean Ueberschlag, Député-Maire von Saint-Louis, hat sich in der Vergangenheit kaum als glühender Anhänger einer Tramverlängerung in seine Stadt hervorgetan. Aber die Zeiten haben sich geändert: «Heute sieht die Situation anders aus und es gibt eine glaubwürdige Finanzierungsmöglichkeit. Es gefällt mir gut, das Tram wieder in Saint-Louis einzuführen.»
Der neue Kontext, auf den Ueberschlag anspielt, ist neben einer kontinuierlichen Zusammenarbeit über die Grenzen in der Planungsorganisation TAB (Trinationale Agglomeration Basel) auch die Bereitschaft des Bundes, die Verlängerung von drei Tramlinien über die Grenzen im Rahmen des Agglomerationsprogramms mit bis zu 50
Prozent der Investitionskosten zu finanzieren.
Konkret geht es um folgende Linien:
> Die Linie 3 soll vom Burgfelderplatz
durch Saint-Louis Bourgfelden und
das neue Viertel, das westlich vom
Bahnhof entsteht, zum Bahnhof von
Saint-Louis geführt werden. Investitionskosten:
24,5 Millionen Franken
(Zahlen aus ÖV-Programm 2006–
2009 des Regierungsrats Basel-
Stadt).
> Die Linie 11 soll von der Grenze Lysbüchel
durch die avenue de Bâle und
die Innenstadt von Saint-Louis ebenfalls
zum Bahnhof verlängert werden,
kommt aber östlich davon an.
Kosten: 18,4 Millionen Franken.
> Die Linie 8 soll vom Wiesenplatz
durch Kleinhüningen über die Hiltalingerbrücke
zum Rheincenter und
dann östlich durch die Friedlinger
Hauptstrasse zum Weiler Bahnhof
führen; Kosten: 30 Millionen Franken.
In einer ersten Phase könnte das
Tram nur bis Friedlingen fahren.
ZEITDRUCK.
Bedingung dafür, dass die Bundesgelder fliessen, ist, dass die Arbeiten
bis spätestens Ende 2008 aufgenommen werden – ein anspruchsvolles
Ziel. Jean-Jacques Brodbeck, technischer Direktor von Saint-Louis, glaubt
kaum, dass der Termin einzuhalten ist. «Es wäre aber gut, wenn wir bis 2008
einen politischen Beschluss hätten.» Tatsächlich sind die Projekte bisher
weder in Saint-Louis noch in Weil am Rhein öffentlich diskutiert worden –
der Entscheidungsprozess befindet sich am Anfang, und jetzt werden Arbeitsgruppen eingesetzt. Donnerstag letzter Woche hat der Basler Wirtschaftsminister Ralph Lewin erstmals zum Thema Tram offiziell mit Ueberschlag und Wolfgang Dietz, Oberbürgermeister von Weil, Kontakt aufgenommen. «Wir müssen sorgfältig prüfen, ob das Tram in unser Haushaltsgefüge passt. Ich will mich dabei nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Sorgfalt geht vor. Ich gehe die Frage nicht ideologisch an. Die Basler Liebe fürs Trämli gibt es in Weil nicht», sagte Dietz.
Das Problem für Weil liegt beim Tram nicht bei den Investitionen, von
denen rund 1,4 Millionen Franken an der Stadt hängen bleiben würden, sondern bei den Betriebskosten, bei denen die Stadt im Gegensatz zur S-Bahn keine Unterstützung vom Land Baden-Württemberg erhalten würde. Laut Baubürgermeister Klaus Eberhardt, der sich seit vielen Jahren für das Tram engagiert,gibt Weil jährlich 316000 Franken für sein Bussystem aus. Die zusätzlichen Betriebskosten für das Tram werden auf jährlich 200000 bis
400000 Franken geschätzt.
«Es gilt ein Modell zu finden, das die Betriebskostenfrage so regelt, dass sie
den finanziellen Möglichkeiten einer Stadt von 30000 Einwohnern entspricht
», sagt Eberhardt.
VORTEILE.
Neben höherer Belastung würde das Tram Weil viele Vorteile bringen: Als Einkaufsstadt mit hohen Umsatzzahlen dank Schweizer Kunden
wäre Weil besser an Basel angebunden; 2500 Pendler kämen besser zur Arbeit nach Basel, das Verkehrsproblem um das Rheincenter könnte entschärft werden und die Standortqualität steigen.
Von den beiden Linien, die in Saint- Louis geplant sind, scheint die Verlängerung des 3er einfacher zu realisieren sein als die des 11er, da der 3er zum Teil durch ein neu entstehendes Viertel führt. Maire Jean Ueberschlag argumentiert:
«Wir sollten zuerst mit der einfachen Linie beginnen und dort unsere
Erfahrungen machen.»
Die avenue de Bâle, durch die der 11er führen soll, sei vor zehn Jahren
neu gestaltet worden, zudem laufe für die Buslinie, die dort durchgehe, noch
eine mehrjährige Konzession, die nicht einfach gekündigt werden könne, erklärt Jean-Jacques Brodbeck, der sich wie der Maire einen etappenweisen
Bau der Tramlinien vorstellen kann.
Von der Notwendigkeit des Trams ist er überzeugt: «Saint-Louis kann nicht innerhalb einer Agglomeration von 650000 Einwohnern autark leben.»
SHUTTLE.
Der Bahnhof von Saint-Louis soll in den nächsten Jahren zu einem
plurimodalen Verkehrszentrum ausgebaut werden. In zwei Jahren könnte
dort als provisorische Lösung, bis die Schienenanbindung zum EuroAirport
kommt, eine Shuttlebuslinie zum Flughafen eingerichtet werden, der nur
zwei Kilometer entfernt ist.
Wirtschaftlich sind alle drei Tramlinienprojekte, so eine Studie, die die
TAB in Auftrag gegeben hat. Das Finanzierungsangebot aus Bern stellt dabei
eine einmalige Chance für die Region Basel dar und beschleunigt den
Entscheidungsfindungsprozess. Klaus Eberhardt ist sich sicher: «Wenn die
Grenzen nicht wären, wären diese Tramlinien schon lange gebaut.»
Quelle Baz vom 19.01.05[U]