Eine Frau ist in einer Tramtüre eingeklemmt und mitgeschleift worden. Die Tramführerin erhielt vom Gericht eine Busse – und eine hohe Entschädigung.
Der dramatische Vorfall passierte am 29. November 2013. Damals fuhr eine heute 48-Jährige Tram-Pilotin aus Regensdorf am Nachmittag einen Tramzug der Linie 13 vom Albisgüetli her in Richtung Paradeplatz. Bei der Haltestelle Tunnelstrasse passierte es: Die Zürcher Unterländer Chauffeuse übersah eine Frau, die gerade noch vor der Abfahrt ins Tram steigen wollte und sich einen Fuss in der Türe einklemmte.
Dank mutiger Augezeugin gerettet
Fest steht, dass die Regensdorferin trotzdem abfuhr und das Opfer mitschleifte. Es war nur einer mutigen Passantin zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passierte. So rannte die Fussgängerin auf die Höhe der Trampilotin und forderte sie mit Klopfzeichen gegen die Scheibe zum Anhalten auf, was die spätere Beschuldigte auch sogleich befolgte. Die Geschädigte konnte mit leichten Blessuren geborgen werden.
Infolge des Unfalls leitete das Stadtrichteramt ein Verfahren gegen die Tramführerin ein und sprach sie im Juni 2014 per Strafbefehl schuldig. Sie kassierte wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeugs sowie pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall eine Busse von 300 Franken. Der letztere Vorwurf betraf die Tatsache, dass es die Beschuldigte nach dem Vorfall unterlassen hatte, die Endlage des Trams anzuzeichnen.
Vom Hauptvorwurf entlastet
Am Freitag musste sich die Trampilotin aus Regensdorf am Bezirksgericht Zürich verantworten und beteuerte ihre Unschuld. Sie habe die Geschädigte wegen eines toten Winkels nicht sehen können und habe den Tatort nach dem Ereignis mit Sand gekennzeichnet. Auch ihr Verteidiger verlangte einen Freispruch.
Zum Teil mit Erfolg, da das Gericht die Beschuldigte vom Hauptvorwurf des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs entlastete und freisprach. In erster Linie wegen einer falschen Darstellung im Strafbefehl.
Hohe Entschädigung
Beim pflichtwidrigen Verhalten nach einem Unfall kam das Gericht dagegen zu einem Schuldspruch. Sand alleine reiche nicht aus, um die Lage des Trams anzuzeichnen. Für das Fehlverhalten setzte das Gericht eine Busse von 100 Franken fest. Für den gewichtigen Teilfreispruch und ihre anwaltliche Vertretung erhielt sie dagegen eine satte Prozessentschädigung von 6000 Franken.
Kein Wunder, dass die Tramführerin trotz der Busse das Urteil akzeptierte. Allerdings könne das Stadtrichteramt den Fall an das Obergericht weiterziehen, erklärte die Vorsitzende zum Schluss.
Quelle: 20 Minuten, 05.06.2015