Der letzte Tango von Basel
Früher war tatsächlich alles besser. Vor allem in ästhetischer Hinsicht. Nicht, dass die quietschenden und wackelnden Drämmli der Sechzigerjahre (sie verkehren tatsächlich noch auf dem Streckennetz der BVB) den Komfort von neuzeitlichen Transportmitteln bieten würden. Aber sie sind immerhin eine
Augenweide. Hübsch und niedlich. Mit lieben «Gesichtern», runden Äuglein, offenem Visier; vielleicht etwas hochbeinig, aber insgesamt wohlproportioniert. Haben Sie sich schon einmal die neuen Trams genau angeschaut? Die Combinos der BVB zum Beispiel? Mit den klobigen Rückspiegeln oberhalb des gläsernen Führerstands sehen sie aus wie zu lang geratene Ameisen mit dem Gesicht eines Mitglieds der Familie Simpson
– ein solches Fahrgerät kann man nicht wirklich ernst nehmen. Das sind fahrende Comicstrips. Nicht viel besser sieht das brandneue Tangotram
der BLT aus. Die Frontpartie gleicht einem dieser im Evolutionsprozess entstellten Tiefseefische: Gleich über der hervorstechenden und missratenen Kieferpartie blicken uns zwei böse Schlitzaugen entgegen. Die überproportionierte Anzeigentafel entspricht der Kiemenöffnung. Kommt hinzu, dass die Innendesigner der neuen Trams sich in der Wahl der Materialien und Farben und Formen derart vergriffen haben, dass man als Fahrgast meint, sich in einem fahrenden Sperrguthaufen zu befinden.
Alles nur Nostalgie? Vielleicht. Aber eigentlich sind Trams als Fortbewegungsmittel im 21. Jahrhundert als solche nostalgisch. Basel braucht, so gesehen, kein Trammuseum. Die Stadt ist ein Trammuseum. Daran ändern auch die neuen Combinos, Tangos, Cobras, Piranhas und wie sie alle heissen nichts. Im Gegenteil: Die grässlichen Fratzen dieses neuen Tatzelgewurms werden den Niedergang dieser Gattung noch beschleunigen.
Quelle: Basler Zeitung vom 09.04.2009, Rubrik "moment mal", Autor: Patrick Marcolli