Sabine Pegoraros Angriff aufs U-Abo
Ein Baselbieter Sparvorschlag sieht vor, den Preis des Abonnements im Alleingang um bis zu 50 Prozent zu erhöhen.
Der Tarifverbund und die Regierung hüllen sich in Schweigen.
Ihren Sparvorschlag, um die Kantonsfinanzen ins Lot zu bringen, hat Bau- und Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro noch nicht einmal ausgebreitet,
schon schlägt ihr ein eisiger Wind entgegen: «Bieridee», schimpft der Begründer des Umweltschutz-Abonnements Paul Messmer.
Und der grüne Landrat Klaus Kirchmayr erklärt ihr den Krieg: «Wird so etwas angenommen, starten wir sofort eine Initiative.»
Mit ihnen dürfte es 77?000 U-Abo-Besitzern die Zornesröte ins Gesicht treiben.
Geht es nämlich nach der Bau- und Umweltschutzdirektorin, soll der Subventionszuschlag in der Höhe von 25 Franken pro Abo und Monat
gestrichen und dem «Endkunden» aufgebrummt werden.
Junioren, die heute 50 Franken für ein U-Abo bezahlen, hätten einen 50-Prozent-Preisaufschlag in Kauf zu nehmen und zahlten neu 75 Franken.
Erwachsene, die heute im Baselbiet wohnen und 76 Franken zahlen, müssten monatlich 101 Franken aufwerfen,
was immer noch einem Preisaufschlag von 33 Prozent entspricht.
Die Brutto-Ersparnis des Kanton Baselland liegen bei über 22 Millionen Franken.
Weil man aber mit Abo-Abbestellungen rechnet, geht man laut gut unterrichteter Quelle
von einem Netto- Sparpotenzial zwischen 15 und 20 Millionen Franken aus.
Tarifverbundgedanke aufgelöst
Damit nimmt die Regierungsrätin in Kauf, ein preisliches Ungleichgewicht zu schaffen zwischen den Baselbieter Trambenützern
und den Baslern beziehungsweise Solothurnern und Aargauer Partnern.
«Technisch ist das möglich», weiss der frühere BLT-Chef Paul Messmer.
Allerdings stelle sich die Frage, wie mit übertragbaren Abonnements verfahren werde, die nun auf einmal lukrativer würden.
Die Schlussfolgerung des preisgekrönten U-Abo-Gründers lautet, dass damit Pegoraro einen Eckpfeiler des Tarifverbund-Gedankens herauszubrechen gedenkt.
«Und das ist eine Bieridee, die ich sofort bekämpfen würde und auch gleich die 77?000-U-Abo-Adressen dagegen nutzen würde», droht Messmer.
Ohnehin wird das Vorhaben der Regierungsrätin in Fachkreisen von «unausgegoren» bis zu «im Vornherein zum Scheitern verurteilt» bezeichnet.
Bereits die Regierung im Kanton Aargau ist im Rahmen ihrer Sparbemühungen – sie wollte den Subventionsbeitrag am TNW der Fricktaler kürzen –
im Parlament grandios gescheitert. Würde nun der Kanton Baselland ausscheren, müsste dies auch im Aargau wieder thematisiert werden,
sagt Jürg Bitterli, Leiter Angebotsplanung des öffentlichen Verkehrs im Aargau.
BaZ-Quellen bestätigen indessen, dass die Tarifverbund-Partner beziehungsweise der TNW-Vorstand über das Sparvorhaben informiert worden sind.
Man habe den Vorschlag zur Kenntnis, aber keine Stellung nehmen können. So hält man sich bedeckt, bis Pegoraro ihre Sparpläne offiziell macht.
Die BVB reagieren so: «Wir haben Kenntnis davon, dass die Baselbieter Regierung ein umfassendes Sparpaket beschlossen hat.
Dieses soll am 8. Juli 2015 bekannt gegeben werden. Wir kommentieren vorher keine möglicherweise im Sparpaket enthaltenen Massnahmen.»
Ähnlich tönt es bei der Basler Regierung und bei der BLT: «Das ist eine politische Angelegenheit, ich will mich zu dieser Frage im Moment nicht äussern»,
erklärt BLT-Direktor Andreas Büttiker.
Die Baudirektorin selber, die von der BaZ um eine Stellungnahme gebeten wurde, will sich bis zur angekündigten Medienkonferenz am Mittwoch in Schweigen hüllen.
Überraschung bei Partnern
Nicht durchgedrungen ist Pegoraros Subventionskürzungsantrag bis zum Abteilungsleiter Öffentlicher Verkehr im Kanton Solothurn, Ludwig Dünbier.
Dieser gibt sich überrascht. «Sollte der Endkunde im Baselbiet mehr zahlen müssen als bei uns, wird der Verbundgedanke unter anderen Prämissen geführt.
Eine Diskussion über eine veränderte Beteiligung müssten wir dann führen», sagt er.
Dabei macht er aber keinen Hehl daraus, dass die Aufhebung des Subventionszuschlags auch aus Sicht des Kantons Solothurn durchaus diskutiert werden dürfe.
Man habe diesen «alten Zopf» schon beim Tarifverbund A-Welle (von Wettingen bis Oensingen) abgeschnitten.
Allerdings fand dort keine Überwälzung an den ÖV-Benützer statt. Vielmehr mussten die öffentliche Hand generell als Linien- und Leistungsbesteller tiefer in die Tasche greifen.
Laut Dünbier habe das zu einem marginalen Spareffekt von einer viertel bis einer halben Million Franken geführt.
Vom Baselbieter Sparvorschlag Wind bekommen hat auch Landrat Klaus Kirchmayr: «Dieser Vorschlag wäre nicht nur inakzeptabel, er ist vielmehr unüberlegt und dumm.
Wir würden ihn mit allen Mitteln und bis zuletzt bekämpfen», sagt er.
Weitreichende Konsequenzen
Würde er angenommen, hätte dies weitreichendere Konsequenzen als nur das Einsparen eines zweistelligen Millionenbetrags:
«Die Einführung eines Zonierungsmodells wäre die wahrscheinliche Folge, etwas, was der Landrat vor zwei Jahren einstimmig abgelehnt hat»,
prognostiziert er und warnt davor, dass dann der Spareffekt wegen der Ertragsausfälle und Folgekosten bis auf einen kleinen Betrag verpufft:
«30 Jahre harte Arbeit und Investition in ein Modell, um das wir weltweit beneidet werden, würde die Regierung leichtfertig zerstören.»
Dass ein solcher Vorschlag ausgerechnet aus der TNW-Kernzone, beziehungsweise den Stammlanden Baselland mit seinem ausgedehnten Schienen- und Busliniennetz kommt,
verwundert die CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter doch sehr. Betroffen von einem solchen Aufschlag seien vor allem auch Familien:
«Ich werte dies als Angriff auf die Familie, und es ist eine Bankrotterklärung an die regionale Zusammenarbeit, wenn das einheitliche Tarifsystem aufgebrochen wird»,
kommentiert Schneider-Schneiter.
Ein solcher Vorschlag sei umso unverständlicher, weil die Baselbieter noch vor wenigen Wochen mit einem fulminanten Mehr der Regio-Kooperationsinitiative aus der FDP-Küche zugestimmt hätten.
«Das Umweltschutzabonnement ist eines der ersten grossen Kooperationsprojekte.» Ausgerechnet das werde angetastet, kritisiert die Nationalrätin.
baz 04.07.2015