Warnsignal nervt Anwohner – zu Stosszeiten bimmelt es fast pausenlos
Die BLT stellt immer mehr Warnsignale auf, um die Fussgänger vor dem
herannahenden Tram zu warnen. Ein Nebeneffekt: Anwohner nerven sich über
das Gebimmel. Es vertreibt sogar Hotelgäste.
Daniel Suter mag Indianer. Als Kind habe er Winnetou-Bücher verschlungen, sagt er.
Den Indianer bei der Tramhaltestelle vor seinem Haus kann der
Binninger aber gar nicht leiden. Es ist ein sogenannter Gleis-Indianer:
Sobald sich ein Tram nähert, fängt der Pfosten an zu blinken und zu
bimmeln, als Warnung an die Fussgänger. «Das Gebimmel ist kaum
auszuhalten», klagt Suter. «Vor allem zu Stosszeiten ist das Gerät fast
pausenlos am Bimmeln».
Suter wohnt bei der Tramstation Bottmingermühle in Binningen. Im
Januar installierte die Baselland Transport (BLT) an beiden Enden der
Perrons je einen Warnpfosten – seither verfolgt Suter das Bimmeln fast
den ganzen Tag: «Zuhause muss ich immer die Fenster schliessen», sagt
er. «Und weil das Büro, in dem ich arbeite, auch bei der Station liegt,
habe ich nicht einmal dort Ruhe vor dem Ding.»
Jede zweite Minute bimmelts
Die Pfosten, rund einen halben Meter hoch, machen sich bemerkbar,
sobald sich beim Bahnübergang vor der Station die Schranken schliessen –
ist das Tram vorbeigefahren, verstummen sie wieder. Das dauert etwa
eine Minute. Da jedoch zwei Linien, die 10 und die 17, die Station
bedienen, läutet es zu Stosszeiten fast ununterbrochen. So halten
zwischen 7 und 8 Uhr morgens insgesamt 31 Trams.
Nora Jauslin betreibt bei der Station Bottmingermühle die
gleichnamige Gaststätte. Sie störe das Gebimmel nicht, sagt sie – ihre
Kundschaft aber schon. Einer der beiden Pfosten steht genau vor dem
Gebäude und damit auch exakt unter den Fenstern der Gästezimmer. «Die
Gäste, die bei uns übernachten, sind wenig begeistert, dass sie auch
noch im Bett vor einfahrenden Trams gewarnt werden.»
Die BLT stellt sich auf den Standpunkt, die Gleis-Indianer würden der
«Erhöhung der Sicherheit bei Übergängen» dienen. Dies treffe auch bei
der Haltestelle Bottmingermühle zu, sagt Fredi Schödler, Leiter Betrieb
und Technik beim Transportunternehmen. Der Übergang liege auf dem
Schulweg vieler Kinder. Der letzte schwere Vorfall datiert vom November
2010: Damals sprang ein sechsjähriger Knabe direkt vor einen Tramzug und
wurde schwer verletzt. Danach habe man nach Lösungen gesucht, sagt
Schödler. Dabei seien auch Elternverbände und die Gemeinde involviert
gewesen – beide hätten die Massnahme begrüsst.
Binningen ist aber nicht der erste Ort, an dem die
Personenwarnpfosten – so lautet ihr korrekter Name – zum Einsatz kommen.
Der erste ging vor über sechs Jahren in Betrieb, sagt Schädler, heute
hat es solche auch in Münchenstein, Reinach, Oberwil und Arlesheim.
Die Warnsignale sind Teil der des Programms «Sicherung der
Bahnübergänge» des Bundesamts für Verkehr. Auch in Basel steht ein
Indianer: Er warnt an der Station Hirzbrunnen/Claraspital Velofahrer;
zuvor gab es dort mehrere tödliche Unfälle.
«System stumpft Kinder ab»
Daniel Suter wiederum zweifelt den Nutzen der Pfosten an – zumindest
bei der Bottmingermühle, denn die Station sei übersichtlich und gerade.
«Ich bin auch für mehr Sicherheit. Aber dieses System stumpft die Kinder
ab. Es wird nicht mehr ernst genommen, wenn es ständig warnt.» Er habe
schon häufig Kinder beobachtet, die achtlos an den bimmelnden Pfosten
vorbei gelaufen seien. Erst kürzlich habe ein BLT-Mitarbeiter die Anlage
kontrolliert. «Ich habe ihn angesprochen und gefragt, was er von ihnen
halte», sagt Suter. Er habe den Kopf geschüttelt und gesagt, die Dinger
seien «ein Blödsinn» und «reines Alibi».
Das will Fredi Schödler so nicht gelten lassen. Die Technik habe sich
bewährt, sagt er. Das Lichtsignal befinde sich auf Augenhöhe von
Kindern. Diese würden sehr gut auf sie ansprechen. «Übliche Rotlichter
befinden sich ja auf rund zwei Metern Höhe, weshalb Kinder diese
übersehen.»
Restaurant-Inhaberin Jauslin entgegnet, dass die BLT das Gebimmel
zumindest nachts abstellen sollte: «Dann sind ja keine Schulkinder
unterwegs.» So aber dauere die Nachtruhe nur wenige Stunden. Ein Blick
auf den Fahrplan bestätigt: Das erste Tram verkehrt um 4.48 Uhr in der
früh, das letzte um 1.18 Uhr, Freitag und Samstag sogar noch eine halbe
Stunde später. Schödler entgegnet, dass die Signale bereits heute beim
Eindunkeln leiser würden: Die Pfosten hätten Lichtsensoren.
Wie Suter berichtet, hat die BLT gestern bereits reagiert. Zwei
Mitarbeiter hätten die Pfosten inspiziert. Und die BLT bestätigt auf
Anfrage, dass die Nachtlautstärke «auf ein zulässiges Minimum reduziert»
worden sei.
Für Suter ein schwacher Trost. Er sagt, es sei noch immer zu laut.
bz 12.07.2014