Chaos in Berlin: 3/4 der Berliner S-Bahn stillgelegt

  • Situation: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitu…0022/index.html http://www.berlinonline.de/berliner-zeitu…32581/index.php sowie https://www.tramforum-basel.ch/www.s-bahn-berlin.de

    Hintergrund: Das Eisenbahn-Bundesamt stellte nach einem Unfall fest, dass die Wartungen nicht ordnungsgemäss durchgeführt wurden. Trotz Verpflichtung für intensivere Kontrollen wurden diese nicht durchgeführt. Daher wurden 3/4 aller Fahrzeuge bis auf weiteres ausser Dienst gestellt. Es stellte sich ferner heraus, dass die S-Bahn Berlin - eine 100%-Tochter der DB - über die Jahre gut 200 Mio Euro für Wartungsarbeiten erhalten hat - dieses Geld aber nicht für Wartung ausgegeben hat, sondern der DB für deren geplanten Börsengang gab.

    Bananenrepublik Deutschland? 8o ?(

  • Die falschen Leute am falschen Ort - es ist für mich immer noch ein Rätsel, wie ein Typ (Mehdorn) aus der Flugbranche etwas von Bahnen und öffentlichen Verkehr verstehen soll.

    Und das mit der Börse: ich hoffe alle, die irgendwann mal auch nur im entferntesten auf die Idee gekommen sein könnten, wir Schweizer müssten uns die DB als Vorbild nehmen, haben irgendwo in ihren Gehirnwindungen sowas wie einen Verstand.

  • Das hat mich sehr entsetzt, als ich das gelesen habe. Für Deutschland hätte ich mir sowas niemals vorstellen können. Eher noch in Italien denkbar.

    Hoffentlich werden die Verantwortlichen für diesen Unsinn zur Kasse gebeten!

  • pgru: Mehdorn ist das Eine, ich frage mich viel mehr, was wusste Meyer? 8o

    Das S-Bahn-Debakel hat aber insofern sein "Gutes", dass die Berliner Tram noch mehr geschätzt wird. Die fahren mit verlängerten Kompositionen und dichteren Zugfolgen, auf der M4 gar alle 4 Minuten (Quelle: Kundenzeitschrift BVG). Die BVG werden dafür wohl auch alles aus den Depots holen...

  • Naja, ..., das erwartete Chaos ist eigentlich mehr oder weniger ausgeglieben, wenn man den Berichten in anderen Foren glauben darf. Grund sind sicherlich einmal die Schulferien sowie die allg. Ferienzeit und die Tatsache, dass die Benützer sich vorgängig informiert und arrangiert haben. Spannend dürfte es hingegen werden, wenn in ein par Wochen die allgemeine Ferienzeit beendet ist und die Pendlerströme wieder das gewohnte Ausmass annehmen.

    Tja, ..., und das mit dem Vorurteil "Italien" ... grosse und kleine Skandale gibt es überall ... auch die ach so saubere und fleissige Schweiz ist davon nicht vollständig "immun"!

    Und ob das mit dem 200 Mio. tatsächlich auch so stimmt, ..., naja, ..., Papier ist geduldig ...!

  • Ja, 4106. Dass es in der Schweiz überall mit rechten Dingen zu und her geht habe ich nich behauptet. Man denke da beispielsweise an einige bekannte Bundesbetriebe ;)

  • Zitat

    Original von 4106
    Naja, ..., das erwartete Chaos ist eigentlich mehr oder weniger ausgeglieben, wenn man den Berichten in anderen Foren glauben darf.

    Richtig, trotzdem ist es arg voll und viele Berliner haben massiv länger um von A nach B zu gelangen. Dass es nicht zum Kollaps gekommen ist liegt am sehr leistungsfähigen und gut ausgebauten Netz der BVG (U-Bahn, Tram, Bus) und dem geringeren Verkehrsaufkommen.

    Gestrandet sind einfach die Touristen.

    Dann gibts natürlich zahlreiche Take-Aways und Läden in nun geschlossenen S-Bahn-Haltestellen - die fahren massivste Verluste ein.

    Und was macht man mit einem Abo für die Velomitnahme? Die Mitnahme von Velos ist nun in ganz Berlin verboten.

    Auch wenns nicht zum Super-GAU kam, ist es eine Schande ohnegleichen. Und dass so etwas in Deutschland möglich ist, hätte ich nie erwartet (btw: Ich war noch vor kurzem in Berlin)

  • Das ganze Ausmass bei der S-Bahn Berlin wird auch nur deshalb derart sichtbar, weil systembedingt (Stromschiene) schlicht keine Ersatzfahrzeuge verfügbar sind. Für alle übrigen S-Bahn-Betriebe (ausser Hamburg) könnten andere Kompositionen aus dem Rest der Republik abgezogen werden. Zumindest auf der neuen Nord-Süd-Achse (welche ansonsten überhaupt nicht von S-Bahnen befahren wird) werden nun zusätzliche S-Bahn-Fahrzeuge aus München eingesetzt, wie ich gehört habe.

  • Des Dramas jüngster Akt:

    Nachdem sich die Lage langsam zu normalisieren begann, hat man vorgestern Montag festgestellt, dass die Bremsen an den S-Bahn-Zügen kaputt sind (in den letzten Wochen wurden bei Routinekontrollen 35 (!!!) defekte Bremszylinder entdeckt - u.a. an einem einzigen Wagen 4 Stück). Also hat die S-Bahn über Nacht entschieden, 75% der Züge in den Depots zu lassen.

    Seit gestern fahren nur noch 25% der Züge, zahlreiche Strecken (u.a. die Innenstadtlinie und andere Hauptlinien) sind wieder stillgelegt, auf den verbleibenden Strecken ist der Takt ausgedünnt. Der auf heute versprochene Notfahrplan fehlt.

    Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Bahnverantwortlichen. Der Berliner Senat hält einstweilen von den 20 Mio Euro, die er im September an die S-Bahn zahlen sollte, 3/4 davon zurück...

    Es fahren übrigens 160 Viertelzüge - weniger als in der 1. Krise. Und es sind keine Sommerferien mehr...

    Ach ja, Grund für die Defekte gemäss Eisenbahnbundesamt: Verschleissteile der Bremszylinder müssen alle 6-8 Jahre ersetzt werden. Die Bahn hat das aus Kostengründen schlicht und einfach nicht gemacht!

    http://www.welt.de/news/article44…ufsverkehr.html
    http://www.spiegel.de/reise/deutschl…,647539,00.html
    http://www.bild.de/BILD/news/2009…waltschaft.html

    3 Mal editiert, zuletzt von 750 mm (9. September 2009 um 13:28)

  • Als Mitarbeiter würde ich mich weigern, Formulare falsch auszufüllen. Es ist schon traurig, dass man heutzutage des Geldes wegen zu solchen Mitteln greift.

    Ich freue mich ja schon auf meine Berlin-Ferien Ende September. Da werde ich Euch dann einen Live-Bericht abgeben können :D

  • Vielleicht wurden sie ja dazu gezwungen, sonst wären sie ihren Job los gewesen...

    Alle diese Skandale bei der Berliner S-Bahn haben mein eh schon schlechtes Bild von der DB nur noch verschlechtert. Es kann doch nicht sein, dass bei einem STAATSUNTERNEHMEN so gearbeitet wird...

  • Sicher hätten diese Leute ihren Job verloren, aber wäre einer zu den Medien, dann wäre dieses Spiel schnell ausgespielt gewesen.

  • Dann wäre ebendieser gute Mensch wegen Petzerei gefeuert worden, hätte vermutlich bis heute keinen Job mehr gefunden und dürfte jetzt von Hartz IV leben. Gerade in Berlin wahrlich kein Vergnügen. Das will dort keiner riskieren.

    Einmal editiert, zuletzt von Wrzlbrnft (10. September 2009 um 18:39)

  • Es ist unglaublich, wie viel Dreck da neu ans Tageslicht kommt. Ich bin wirklich entsetzt und - ganz ehrlich - ich würde mich als Berliner in einer S-Bahn nicht mehr sicher fühlen (und wenn ich das nächste Mal in einem ICE sitze, hmm ich weiss ja nicht...).

    Irgendsoein Superhirni bei der DB kann dann ja mal ausrechnen, wieviele dutzende Millionen man durch diese verbrecherischen Tätigkeiten (und anders kann man das bewusste Unterlassen von zwingend vorgeschriebenen Wartungen, das Fälschen von Protokollen etc. nicht bezeichnen: Urkundenfälschung, Störung des Eisenbahnverkehrs, Gefährdung des Lebens etc....), eben wie viele Millionen man dadurch mehr ausgegeben hat (ausgeben wird) als wie man einsparen wollte....

    Und wenn schlussendlich die DB tatsächlich noch den Auftrag "S-Bahn-Berlin" verlieren würde, wäre das Debakel perfekt. Hat die SBB eigentlich noch immer Expansionsgelüste? :P

  • Hier noch ein Kommentar in der "ZEIT" - bekanntlich einer der seriösesten deutschen Zeitungen:

    http://www.zeit.de/politik/deutsc…Berliner-S-Bahn

    Ein Fall für den Staatsanwalt

    Bei der Berliner S-Bahn herrscht das Chaos. Mit krimineller Energie ließ man die Wagenflotte verkommen. Jetzt muss der Deutschen Bahn ihr Tochterunternehmen so schnell wie möglich entrissen werden.

    © Axel Schmidt/ ddp

    Kein S-Bahn-Zug weit und breit: Berlin versinkt einmal mehr im Verkehrschaos

    Der öffentliche Personennahverkehr ist das Grundgerüst jeder modernen Großstadt. Wer das leugnet und zärtlich auf das Blech seines Autos klopft, muss nur einmal dorthin fahren, wo es kein funktionierendes Netz von Bussen und Schienenverkehr gibt. Johannesburg zum Beispiel wurde zur Auflage gemacht, für die Fußball-WM in neue Schnellbusse zu investieren. Die Südafrikaner können glücklich sein, dass ihnen nicht die S-Bahn verkauft wurde.

    Nein, Berlin wird darauf sitzen bleiben – auf diesem ehemals revolutionären Verkehrssystem, das mit der Expansion Berlins zur Industrie- und Weltstadt genauso verbunden ist wie Siemens oder Borsig. Erst war die Reichsbahn, dann die Deutsche Bahn der Eigentümer. Das S-Bahnnetz in staatlicher Regie wurde von Anfang an weltweit bewundert und hat sogar nach dem Mauerbau 1961 die Stadt ein wenig zusammengehalten. Auch wenn sich so mancher West-Berliner weigerte, den Kommunisten Fahrscheine abzukaufen.

    Der bundeseigene Konzern Bahn, auch das gehört zur Wahrheit, hat den Fuhrpark und das Netz 1995 nicht gerade im besten Zustand übernommen. Und er hat anschließend investiert. Aber seit einigen Jahren wird die S-Bahn nur noch als Gewinnausschüttungsmaschine missbraucht. Aus dem alten Blech haben Mehdorn & Co. hemmungslos alles herausgepresst. Als fetten Beitrag für einen Börsengang, der nicht stattgefunden hat. Jetzt sehen wir das Ergebnis, und wir spüren die Folgen: Eine mit krimineller Energie heruntergewirtschaftete Wagenflotte kann kaum noch auf den eigenen Rädern stehen, geschweige denn Menschen transportieren. Selbst richtig bremsen können die Fahrzeuge kaum noch. Nicht einmal die DDR hätte es sich erlauben dürfen, die S-Bahn so kaputt zu machen.

    Der Schaden ist enorm. Für die Volkswirtschaft, für die Berliner und für das Image der Stadt. Gäbe es nicht die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mit ihrem dicht geknüpften Netz aus U-Bahn, Tram und Bussen, würde Berlin vermutlich wirklich im Chaos und im Autoverkehr versinken. Wir werden auch dies überstehen, und irgendwann ist alles repariert. Ein Zustand auf Dauer ist das aber nicht. Also, was tun – über ein aktuelles Krisenmanagement hinaus, das BVG und Senat einigermaßen im Griff haben?

    Erstens: Die S-Bahn muss der Deutschen Bahn als Tochterunternehmen so schnell wie möglich entrissen werden. Sie könnte zum Beispiel unter das Dach der landeseigenen Verkehrsbetriebe schlüpfen. Preiswert wird das aber nicht.

    Zweitens: Der Senat muss alle rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen, um die Bahn zu einem angemessenen Schadenersatz zu zwingen, und er muss den bis 2017 laufenden Verkehrsvertrag mit der S-Bahn vorzeitig auflösen oder korrigieren.

    Drittens: Um die Verantwortlichen bei S-Bahn und Deutscher Bahn muss sich sofort die Staatsanwaltschaft kümmern.

    Viertens: Die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sollte endlich Verkehrspolitik lernen.

    2 Mal editiert, zuletzt von 750 mm (11. September 2009 um 03:51)

  • Wrzlbrnft:
    Vielleicht hast Du recht bezüglich der Jobs. Ich persönlich wäre dazu jedoch nicht in der Lage - mitschuldig zu sein an der (fahrlässigen und kriminellen) Gefährdung tausender Menschen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Marc-W (11. September 2009 um 08:46)