http://bazonline.ch/basel/stadt/BV…/story/13462423
BVB brüskieren BLT erneut
Von Daniel Wahl.
BVB-Verwaltungsratspräsident Martin Gudenrath bot der BLT die teuren Flexity-Trams zur Miete an. Das Schreiben enthalte «erhebliche Falschaussagen» und «unhaltbare Behauptungen», wehrten sich die Baselbieter.
Will neue Trams vermieten: Ohne Absprache verlangt BVB-Verwaltungspräsident Martin Gudenrath (links) die Einsetzung einer Arbeitsgruppe.
Bild: Dominik Plüss
«Ich glaube, dass dieser Ansatz uns um Jahre nach vorne bringen würde und viele Probleme auf einen Schlag lösen könnte» – BVB-Verwaltungsratspräsident Martin Gudenrath muss seine Idee für einen Geniestreich gehalten haben, dass er im März dieses Jahres ohne jegliche Rücksprache und Abstützung im eigenen Verwaltungsrat in die Computertasten griff und bei den Regierungen beider Basel vorstellig wurde: Die Baselland Transport AG (BLT) solle bei den Baslern die Flexity-Trams mieten, so sein Vorschlag. Im Unterhalt dürften die Basler Trams mit der viel höheren Radlast aber entscheidend teurer sein als die BLT-Tango-Flotte.
In einem knapp dreiseitigen Brief breitete der oberste Basler Drämmler «seine Idee zur Einsparung von Kapitalkosten und Nutzung weiterer Synergien» aus und untermauerte den Vorschlag mit nicht plausiblen Zahlen. Der Brief des Verwaltungsratspräsidenten, in dem er von den Regierungen die Bildung einer Arbeitsgruppe fordert, liegt der BaZ vor und ist von Gudenrath als Privatperson abgefasst worden. Nicht auf Geschäftspapier und hat auch kein BVB-Logo.
Ärger diplomatisch formuliert
Allein die kurze Zeit von nur drei Tagen, bis BLT-Verwaltungsratspräsident André Dosé eine vierseitige Replik auf Gudenraths Schreiben verfasste, in dem er die Berechnungen des BVB-Strategen zerpflückt, zeigt, dass den Baselbietern der Kragen geplatzt sein musste. Martin Gudenraths Schreiben sei mit «Enttäuschung» zur Kenntnis genommen worden. Es enthalte «erhebliche Falschaussagen» und «unhaltbare Behauptungen», die an einen «unangebrachten Adressatenkreis» verbreitet worden sind, heisst es einleitend. Als zynisch beurteilt man es im Baselbiet, dass der hemdsärmlige Präsident aus Basel von Synergien spricht, wo er sich doch «gegen Synergien in der Trambeschaffung ausgesprochen hat», wie es im Brief von André Dosé heisst.
Der Alleingang Martin Gudenraths ist tatsächlich kein Einzelfall: Kaum als Verwaltungspräsident angetreten, hat er das partnerschaftliche Tango-Beschaffungsgeschäft sausen lassen und nun das Projekt Margarethenstich blockiert.
Den Unterhalt nicht einberechnet
Auf die zu erwartenden Unterhaltskosten, die beim Flexity wesentlich höher liegen dürften, ist der BVB-Verwaltungsratspräsident in seinem Vorschlag nicht eingegangen. Sogar den Beschaffungspreis hat Gudenrath vereinfacht dargestellt und er ist darum laut BLT falsch: Gudenrath muss sich durch André Dosé die Belehrung gefallen lassen, dass die Beschaffungskosten eines Tango-Trams nicht eine Million, sondern bloss 405'000 Franken höher liegen. Mit anderen Worten: Gudenrath liege mit seinen Zahlen um über 100 Prozent daneben. Zudem würden die höheren Beschaffungskosten der Tangos durch die niedrigeren Unterhaltskosten bei Weitem wettgemacht. Und auch die tieferen Energiekosten des Flexity-Trams von 30 Prozent, die Gudenrath ins Feld geführt hatte, seien «völlig aus der Luft gegriffen». Gudenrath begründet seine Zahl nicht, die Fragezeichen hinterlässt: In der gemeinsamen Ausschreibung nach WTO vor der Ära Gudenrath punktete nämlich ausgerechnet das Tango-Tram bei den Energie- und Unterhaltskosten.
Martin Gudenrath vertritt jedenfalls einen anderen Standpunkt. In einer kurzen schriftlichen Stellungnahme schreibt er der Basler Zeitung: «Die tieferen Unterhalts- und Energiekosten des Flexity-Trams können wir belegen.» Und in seinem Brief an die Regierung bürstet er sich: «Mit ihrem Alleingang in der Trambeschaffung hat die BVB 150 Millionen Franken gespart.» Aber auch diese Zahl wird von Dosé zuhanden der beiden zuständigen Regierungsräte Hans-Peter Wessels und Sabine Pegoraro korrigiert: Man stelle mit Erstaunen fest, dass anstelle der ursprünglich 15 vorgesehenen Tango-Trams (sie hätten auf der Vorortslinie 14 zum Einsatz kommen sollen) nun plötzlich 60 neue Flexity-Tramzüge bestellt wurden. «Die BVB-Investition beläuft sich somit statt der geplanten 70 Millionen auf 220 Millionen Franken.» Und lakonisch fügt Dosé hinzu: «Bei der BLT können wir es uns nicht leisten, Rollmaterial zu ersetzen, welches die Lebensdauer nicht erreicht hat.»
Das eruptive Strickmuster
In nur zwei Jahren ist die Zusammenarbeit zwischen den Transportunternehmen aus den beiden Basel, die sich das Schienennetz teilweise teilen, nahezu zum Erliegen gekommen. «So etwas habe ich in meiner ganzen Karriere noch nie erlebt, er hat vom ÖV keine Ahnung», sagt der Ex-Swiss-CEO André Dosé auf Anfrage. Ein Rezept auf BLT-Seite, wie man mit den BVB sinnvoll kommunizieren kann, fehlt.
Laut Informationen, die der Basler Zeitung zugetragen wurden, zieht sich ein «eruptives Verhalten» wie ein roter Faden durch das Leben von Martin Gudenrath: Das ehemalige Mitglied der Autonomen Jugendszene (AJZ) wurde als Liestaler Gymnasiast von der Schule verwiesen. Irritiert hat Gudenrath auch als Präsident der IG Cargo, als er eigenmächtig Verwaltungsräte abkanzelte und öffentlich korrigiert werden musste, wie Ex-Danzas-Chef Bernd Menzinger bestätigt. Sein Engagement bei der Transportfirma Planzer soll nur ein halbes Jahr gedauert haben. Und Gudenrath hat sich auch die Mitgliedschaft bei den Kiwanern Birseck verwirkt – «aufgrund sanften Drucks», wie es im Umfeld des Serviceclubs heisst.
Mit dieser Biografie konfrontiert, entgegnet Martin Gudenrath: «Über mich ist ein umfassendes Porträt geschrieben worden. Dort ist alles gesagt. Wer Verantwortung übernimmt, eckt eben ab und zu auch an.»
Mit dem Verzicht der BLT, auf seinen Vorschlag einzutreten, ist für Gudenrath das Thema vom Tisch. Nichtsdestotrotz werde er auch in Zukunft auf die BLT zugehen, wenn durch ein gemeinsames abgestimmtes Vorgehen Synergien erreicht und Kosten gespart werden können, schreibt er. Das alleinige Vorpreschen mit nicht abgestimmten Zahlen wird auf Basler Seite nicht bedauert. An einer Sitzung habe Regierungsrat Hans-Peter Wessels Sabine Pegoraro nur gesagt: «Es ist erledigt, mehr nicht», bestätigt André Dosé auf Nachfrage. Allerdings ist bei der Baselbieter Regierung die Affäre Gudenrath noch nicht abgeschlossen: Man sei immer noch in Verhandlung mit den Baslern, kommentiere aber die Briefe nicht öffentlich, liess Baudirektorin Sabine Pegoraro via Mediensprecher ausrichten. Eine Stellungnahme von Regierungsrat Hans-Peter Wessels ist auf heute in Aussicht gestellt. (Basler Zeitung)
Erstellt: 28.08.2013, 07:30 Uhr
Meine Gedanken hierzu, falls die BaZ-Geschichte stimmt (woran ich wenig Zweifel habe, auch wenn man klar sieht, dass sich die BaZ auf Gudenrath eingeschossen hat).
Hier ist dringend Handlungsbedarf angezeigt und ein Köpferollen erforderlich, denn es scheint mir ganz so, als dass hier bei den BVB sehr sehr viel in die falsche Richtung läuft. Diese Geschichte ist für mich nur das i-Tüpfelchen (wenn auch ein grosses i-Tüpfelchen). Ich finde es vor allem äusserst bedauerlich, dass - offenbar von einer Seite allein - nun praktisch alle Stricke zerrissen werden für eine sinnvolle Zusammenarbeit BVB-BLT, die noch vor wenigen Jahren wirklich sehr gut geklappt hat. Das schadet dem öV-Angebot in Basel massiv.