Flirt-Engpass bleibt - obwohl Stadler-DoStos schneller beschleunigen...

  • Bern klotzt, region Basel kleckert

    Doppelstockzüge wie in Zürich und bald auch in Bern sind für die Regio-S-Bahn kein Thema

    SAmuel mATTli

    Bern wischt mit der Beschaffung von
    28 doppelstockzügen gegenwärtige
    und zukünftige kapazitätsengpässe
    auf dem s-Bahn-netz locker vom
    tisch. Basel dagegen muss sich
    auch in Zukunft bei jedem einzelnen
    kurs die Frage stellen, wie viele
    Plätze wohl benötigt werden.
    Eine absurde Szene wiederholt sich
    jeden Morgen kurz vor neun Uhr im
    Bahnhof SBB: Eine aus zwei aneinandergekuppelten
    Flirt-Zügen bestehende
    S3 fährt vom Laufental her ein; auf
    dem Perron warten bereits Passagiere,
    die mit der eben ankommendenS-Bahn
    weiter Richtung Olten fahren wollen.
    Bereit steht immer auch ein orange gekleideter
    SBB-Mitarbeiter – er trennt
    die Doppelkomposition auf; der vordere
    Zugteil bleibt in Basel. Die zahlreichen
    Fahrgäste ins Ergolztal müssen
    sich in den verbleibenden Flirt zwängen
    – einen Sitzplatz finden selten alle.
    Obschon sämtliche Haltestellen von
    Tecknau bis Laufen (und im Fricktal)
    auf eine Perronlänge von mindestens
    220Metern ausgebautwurden,was den
    Einsatz von bis zu drei aneinandergekuppelten,
    je 75 Meter langen Flirt-
    Einheiten ermöglicht, wird von dieser
    Möglichkeit erst wenig Gebrauch gemacht:
    In sogenannter Dreifachtraktion
    verkehren heute je ein morgendlicher
    Pendlerkurs im Ergolz- und im Fricktal,
    wie Markus Meisinger, Leiter der Abteilung
    öffentlicher Verkehr in der Baselbieter
    Bau- und Umweltschutzdirektion
    (BUD), sagt.
    Ab dem Fahrplanwechsel vomkommenden
    Dezember sollen auch einzelne
    Kurse ins Laufental zum Trio verstärkt
    werden. In Doppeltraktion – mit zwei
    aneindergekuppelten Flirts – wird
    grundsätzlich werktags zwischen 6 und
    8 Uhr sowie zwischen 16 und 19 Uhr gefahren.
    In den anderen Stunden sind die
    Flirts einzeln unterwegs. Ein Flirt-Triebzug
    bietet 180 Sitz- und 297 Stehplätze.
    Ganztags in Doppeltraktion zu fahren,
    sei nicht nötig, sagt SBB-Sprecher Roman
    Marti: Aufgrund von «regelmässigen
    Frequenzerhebungen» könne
    festgestelltwerden, dass es dafür zuwenig
    Passagiere habe.
    Bei verschiedenen Kursen, insbesondere
    um die Mittagszeit, scheint der
    Flirt dennoch an die Kapazitätsgrenze
    zu stossen. Durchgehend zwei Kompositionen
    einzusetzen, um spontane
    Engpässe zu vermeiden, kommt nicht
    infrage – laut Martiwürden hohe Folgekosten
    für den Unterhalt generiert, ausserdem
    koste jeder Doppeleinsatz den
    Kanton extra.
    kaPaZitätsGrenZen. Dass es in den
    Einzel-Flirtszuweilenengwerdenkann,
    ist kaum verwunderlich: Das Fahrzeug
    wurde ursprünglich für die Stadtbahn
    Zug konzipiert, also für eine deutlich
    kleinere Agglomeration als Basel. Trotzdem
    geht Markus Meisinger von der
    BUD davon aus, dass «bis zirka 2020 genügend
    Kapazität mitdembestehenden
    Rollmaterial vorhanden sein wird».
    Anderer Meinung ist Emil Martin
    von Pro Bahn Nordwestschweiz: «Das
    Frequenzaufkommen wird innert kürzester
    Zeit an Kapazitätsgrenzen stossen
    », ist er überzeugt – und fordert,
    dass das Sitzplatzangebot überwacht
    und spontan angepasst werden soll.
    Meisinger betont, dass der Kanton die
    Frequenzen stets im Blick habe: «Züge,
    bei denen die Passagierzahl ansteigt,
    werden bedarfsweise per Fahrplanwechsel
    im Dezember zusätzlich verstärkt
    », verspricht er.
    Das umständliche Geplane für jeden
    einzelnen Kurs und das zeitraubende
    Rangieren wollen sich die BLS künftig
    sparen: Für die S-Bahn Bern hat die
    zweitgrösste Bahngesellschaft der
    Schweiz kürzlich 28 Doppelstock-Triebzüge
    im Wert von fast 500 Millionen
    Franken bestellt. Lieferant ist Stadler
    Rail, welche auch den Basler
    S-Bahn-Zug Flirt herstellt. Ein einzelner
    solcher Doppelstockzug von
    103 Metern Länge bietet fast so viele
    Sitz- und Stehplätze wie zwei Flirts, zusammen
    150 Meter lang.
    FernVerkehrshaLte. Die BLS haben
    sich vor allem deswegen für Doppelstöcker
    entschieden, weil die Zahl der gefahrenen
    Personenkilometer auf dem
    Berner S-Bahn-Netz in den vergangenen
    fünf Jahren um 43 Prozent zugenommen
    hat. In Basel sind es nur
    22 Prozent – voll vergleichbar sind die
    beiden Zahlen aber nicht, wie der Baselbieter
    ÖV-Chef Meisinger ausführt:
    In der Region habe durch neu eingeführte
    Fernverkehrshalte im Ergolzund
    im Fricktal eine deutliche Verlagerung
    der Pendler vom Regional- zum
    Fernverkehr stattgefunden.
    Spätestens wenn die Stadt Basel
    durch ein Herzstück oder andere Massnahmen
    besser durch die S-Bahn erschlossen
    ist, dürften die Passagierzahlen
    aber markant steigen. Doppelstockzüge
    waren für die Regio-S-Bahn
    aber nie ein Thema,undsie sind es auch
    bis auf Weiteres nicht, wie SBB-Sprecher
    Marti bestätigt: «Der Flirt ist für
    die S-Bahn Basel die beste Lösung.»
    Gegen den Einsatz von Doppelstockzügen
    sprechen für die SBB vor
    allem zwei Gründe: Erstens ist die Linie
    Basel–Laufen derzeit nicht mit Doppelstockzügen
    kompatibel – ein Umstand
    allerdings, der mit dem ohnehin anstehenden
    Teilausbau der Strecke behoben
    werden könnte.
    Zweitens, und wichtiger, brauche es
    im Ergolz- und Fricktal ein beschleunigungsstarkes
    Fahrzeug, damit die SBB
    das Optimum aus den stark befahrenen
    Strecken herausholen können.
    Tatsächlich
    konnte der Halbstundentakt für die
    Haltestellen Lausen und Tecknau nur
    dank der guten Beschleunigung des
    Flirt eingeführt werden.
    Spätestens mit dem Berner Doppelstockzug
    ist diese Flirt-Exklusivität jedoch
    Geschichte: Dieser beschleunigt
    gar noch ein Spürchen schneller als der
    Flirt, wie Stadler Rail bestätigt.

    Quelle: BaZ vom 13. April 2010

  • Ja, es ist hauptsächlich der Angensteintunnel. Aber ich geh mal davon aus, dass deshalb auch der ganze Rest der Linie ein etwas zu kleines Profil hat. Das auszubauen sollte aber nicht ein wahnsinniges Problem darstellen.

  • Absurdes gibt's übrigens auch in Delémont: Ich höre die "Ajoulots" immer wieder sich darüber beschweren, dass in der Abendspitze in Delémont der 2. FLIRT, der praktisch leer aus Laufen kommt, stehengelassen wird und die Leute dann zwischen Delémont und Porrentruy stehen. Um 9 Uhr abends fährt aber eine Doppeltraktion nach Porrentruy...

  • Ich glaube mich zu erinnern, dass der Angensteintunnel irgendwann vor 5-10 Jahren im Zuge der Instandstellungsarbeiten auch DoStock-tauglich ausgebaut wurde. Ich denke deshalb eher, dass am Rest der Strecke irgendwo noch nicht alles Profilkonform ausgebaut ist (vielleicht auch weil implizit ein Einsatz bis Porrentruy mitgemeint ist?).

    Der Entscheid gegen Doppelstöcker ist in meinen Augen jedenfalls kreuzfalsch. Die Verhältnisse sind schon jetzt teilweise prekär, und in der Morgenspitze müssen Fernverkehrs-Kompositionen S-Bahn-Leistungen erbringen, weil die Flirts die Menschenmengen unmöglich aufnehmen könnten. Aber das ist typisch BL - beim ÖV ist man eben extrem knausrig. Da entscheidet man sich lieber für "zumutbare Verhältnisse" und Stehplätze als für einen komfortablen ÖV mit genug Sitzplätzen.
    Anderswo setzt man Doppelstöcker im Viertelstundentakt ein, hier wird man noch lange bloss halbstündlich in überfüllten Stadtbahn-Zügen fahren müssen.

  • Was ich auch nicht verstehe: Weshalb müssen die Leute aus wirtschaftlichen Gründen in verkehrsschwächeren Zeiten in den Einfach-Flirts stehen, während bei der BVB nun am Wochenende ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen leere 40 m-Trams fahren? Anscheinend macht es bei der BLS auch mehr Sinn, wenn man nicht immer einen Triebzug abkuppeln muss usw.. :evil:

    Ein anderer Grund gegen Doppelstocktriebzüge wäre auch der Fahrgastwechsel, der mit dem Oberdeck etwas träger ist/wäre. Bei den IC 2000 ist das der Fall; klar, wenn diese im Ergolztal auch noch die S-Bahn-Leistungen erbringen müssen. Aber ich denke, auf kürzeren Strecken geht man nicht unbedingt ins Oberdeck hoch, und wenn man aussteigen muss, steht man im Voraus schon vor der Ankunft auf.

    Auch wenn Herr Meisinger etwas dagegen hat, hoffe ich doch sehr, dass man spätestens mit dem Herzstück und dem Wisenbergtunnel damit anfängt, Doppelstocktriebzüge einzusetzen.