Marktöffnung und Privatisierungsabsichten des Bundes: Auswirkungen auf ÖV BS+BL

  • Wie stellen die Neoliberalen sich das vor? Bei Bussen oder bei einem weitverzweigtem technisch zusammenhängenden Bahnnetz mag es ja vielleicht noch sinnvoll sein, aber wie soll das bei einem relativ kleinen Netz wie dem Trambetrieb einer Stadt gehen? Wenn die Privatfirma X die Ausschreibung für eine Linie gewonnen hat, dann kauft dieses Unternehmen neue Fahrzeuge und stellt neues Personal ein, während die Firma Y Fahrzeuge verschrotten und Personal abbauen muss? Und bei der nächsten Ausschreibung ist wieder eine andere Firma günstiger und das ganze Spiel geht wieder von vorne los? Und wer trägt dann die Kosten für die ganzen Wechsel? Allenfalls könnten die Privatfirmen bei einem Wechsel die Fahrzeuge untereinander weiterverkaufen, aber auch das ist aufwändig. Für die Infrastruktur müsste weiterhin der "böse" Staat zuständig bleiben. Wie gut das funktioniert, wenn für Betrieb und Netz verschiedene zuständig sind, sieht man ja bei der Wiesentalbahn.

    Angenommen, die Infrastruktur bliebe staatlich und die Firmen würden bei Wechsel die Fahrzeuge untereinander weiterverkaufen, in wie fern können sie sich dann bei Kosten und Angebot überhaupt noch konkurrenzieren? Wahrscheinlich nur bei den Personalkosten ...

  • Der Bund möchte in Zukunft regionale Transportunternehmen privatisieren – aus beiden Basel regt sich schon jetzt Widerstand.

    Die neuen Pläne des Bundesamtes für Verkehr (BAV) machen Michael Wüthrich tiefe Sorgenfalten auf der Stirn. «Ich kann es nicht glauben.
    Ich kann es wirklich nicht glauben», sagt der Grünen-Grossrat und Präsident der Basler Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (Uvek) mit besorgter Stimme.
    Mit der Absicht, in Zukunft regionale Transportunternehmen zu privatisieren, nehme sich die öffentliche Hand aus der Verantwortung, für die steigenden Kosten im Schienenverkehr eine Lösung zu finden.

    Die Folgen seien verheerend: Mit dem Leistungsabbau unrentabler Linien werden viele wieder auf den Strassenverkehr umsteigen müssen, ist Wüthrich überzeugt.
    «Dies ist ein Rückschritt in die Verkehrspolitik der 60er-Jahre.» Wenn der regionale Schienenverkehr zum Erliegen kommen soll, dann sei das die richtige Strategie.

    Auch Wüthrichs Pendant aus dem Baselbiet, Franz Meyer, zeigt sich «sehr skeptisch» ob den Plänen des BAV.
    Der CVP-Landrat und Präsident der Baselbieter Bau- und Planungskommission (BPK) lobt zwar die Beweggründe des Bundes, den öffentlichen Verkehr effizienter zu gestalten,
    sieht aber in der angestrebten Privatisierung die falsche Lösung. Unternehmen seien an rentablen Strecken interessiert. Die öffentliche Hand werde darum auf den unrentablen Linien am Ende sitzen bleiben.
    «Entweder der Staat betreibt diese defizitären Linien weiter, oder es kommt zu einem Leistungsabbau», folgert Meyer.

    Ziele des BAV widersprechen sich
    Ein weiterer Grund: Eine Privatisierung sei kaum verträglich mit dem regionalen Tarifsystem.
    Bei einer Marktöffnung sollten die privaten Anbieter auch einen entsprechenden Gestaltungsspielraum bei den Preisen erhalten.
    «Dies steht meines Erachtens aber im Widerspruch zu dem Ziel des BAV, einheitliche ÖV-Tarife anzubieten.»

    Die Region Basel verfüge über einen attraktiven Tarifverbund. Diesen auch nach einer Privatisierung zu erhalten, werde dadurch erschwert.
    Dieses Vorhaben sei vielleicht für Regionen geeignet, die nicht wie Basel einen grenzüberschreitenden Verkehr sicherstellen müssen.
    Heiner Vischer schliesst sich der Meinung von Meyer an. Zwar könne er als LDP-Grossrat und Uvek-Mitglied das Streben nach mehr Eigenverantwortung und Effizienz im Bereich des öffentlichen Verkehrs nur unterstützen.
    «Mehr Konkurrenz sorgt für tiefere Preise im Schienenverkehr, was den Kunden zugutekommt.» Trotzdem sei die Region Basel für eine Privatisierung der Basler Verkehrsbetriebe ungeeignet.
    Gerade weil der Kanton Besitzer der BVB sei, könne der attraktive Tarifverbund erhalten bleiben.
    Für den komplexen grenzüberschreitenden Verkehr bedürfe es politischer Absprachen und Verhandlungen zwischen Deutschland, Frankreich und Basel.
    «Da öffnet die Politik manche Türen», betont Vischer. Und nur einzelne Strecken zu privatisieren, dies gehe im bestehenden Tarifverbund ja auch nicht.

    Die BVB befinden sich zudem in einer speziellen Situation. Sie können autonom handeln, da der Verkehrsbetrieb fast privatwirtschaftlich organisiert sei, ist Vischer überzeugt.
    So wie jetzt der Tram- und Busverkehr in Basel organisiert sei, sieht der LDP-Grossrat auch keinen Handlungsbedarf. Effizienzsteigerungen liessen sich auch mit dem Kanton als Besitzer realisieren.
    Da sei auch die Politik gefragt. Aber eine Privatisierung sehe er nicht in Basel. «Die BVB abzuschaffen – das geht ja nicht!»

    Der freisinnige Landrat Christof Hiltmann kann den Absichten des Bundes vor allem Positives abgewinnen.
    «Grundsätzlich geht es um eine Entflechtung zwischen dem Leistungsbesteller und dessen Erbringer. Dies halte ich für überdenkenswert», sagt das BPK-Mitglied.
    Wenn der Kanton nicht mehr zwei Hüte anhabe, verhindere dies eher Interessenkonflikte und damit Ineffizienz.
    Einen Leistungsabbau befürchtet er nicht, da der Kanton weiterhin die Leistungen bestelle. Darum hält Hiltmann eine Marktöffnung für eine mögliche Option.
    «Es müssen jedoch klare Spielregeln gelten und die öffentliche Hand muss für ideale Rahmenbedingungen sorgen.»

    Negativ-Beispiele im Ausland

    Die Skepsis vor einer Marktöffnung überwiegt jedoch bei Franz Meyer und Michael Wüthrich. Nicht zuletzt aufgrund der Negativbeispiele aus dem nahen Ausland.
    «In Italien sind die Regionalbahnen nach der Privatisierung mehr oder weniger tot», sagt der Basler Uvek-Präsident.
    Meyer ergänzt: Die nötigen Investitionen in die Infrastruktur wurden danach vernachlässigt.
    Auch die Verkehrsbetriebe der Region und die Baselbieter Regierung haben ihre Bedenken bereits angemeldet.
    Hinter dem Strategiewechsel «seiner» Verkehrsministerin Doris Leuthard vermutet CVP-Landrat Meyer nicht nur den hohen Kosten-, sondern auch einen politischen Druck.
    Die Schweiz hat sich mit der Ablehnung der Preiserhöhung der Autobahnvignette bereits gegen eine Querfinanzierung ausgesprochen.
    Auch die Milchkuh-Initiative will eine solche verhindern.
    «Aus dem Bauch heraus würde ich sagen: Mit dieser Forderung soll die Frage über die künftige Finanzierung aufgeworfen werden.»
    Wüthrich bekräftigt: Die Schweiz solle sich diesen hohen ÖV-Standard leisten.

    BaZ 17.07.2014