Fast jeden Tag nimmt sich ein Mensch auf dem Netz der SBB das Leben.
Nun geht die SBB in die Offensive, um die Zahl der Schienensuizide zu verringern.
Es ist eine traurige Statistik: 140 vollendete Schienensuizide musste die SBB vergangenes Jahr verzeichnen.
Bei 90 weiteren blieb es beim Versuch – oft mit schweren Folgen.
Viele dieser Personen erlitten schwerste Verletzungen, unter denen sie ihr Leben lang leiden.
Während die Zahlen bei anderen Suizidarten rückgängig sind, nehmen Fälle von Schienensuizid zu.
Ein Schienensuizid ist nicht nur für die Angehörigen schlimm, sondern für alle Rettungskräfte und Beteiligten der SBB
– allen voran die Lokführer, wie SBB-Chef Andreas Meyer an einer Fachtagung in Bern sagte: «Es gibt Lokführer, die damit nicht fertig werden.
Deren Leben wird dadurch komplett umgekrempelt.» Einige müssten sich danach eine andere Betätigung suchen.
Die Lokführer, die im Beruf bleiben – die das Trauma bewältigen – sind gezeichnet: «Bei jedem fährt danach die Angst mit.»
Patrouillen und bauliche Massnahmen
Das sensible Thema will die SBB verstärkt angehen und versuchen, so viel Suizide wie möglich zu verhindern.
Hotspots, wo viele Lebensmüde vor den Zug springen, gebe es nicht.
Meyer: «Wenn wir merken, dass ein Ort plötzlich auffällig wird, verstärken wir dort die baulichen Massnahmen.»
Hans Vogt, Leiter Sicherheit bei der SBB, beschreibt die drei Schwerpunkte bei der Thematik: Prävention, Intervention, Care.
Vorbeugen, bewältigen und verarbeiten. Dabei greift die SBB zu verschiedenen Massnahmen:
Patrouillen an Bahnhöfen sollen sensibilisiert sein und ein geschultes Auge haben.
Tafeln mit der Nummer der dargebotenen Hand werden installiert – und nicht zuletzt bauliche Massnahmen, um den Zugang zu den Gleisen zu erschweren.
Doch Vogt sagt auch: «Wir haben 3000 Kilometer Netz, das frei zugänglich ist. Die Lokführer sind hilflos: Ein Suizid kann überall passieren.»
Mitarbeiter schulen
Dennoch gibt die SBB nicht kampflos auf: So will sie 10'000 Mitarbeiter bis 2016 schulen, bei Alarmzeichen auf Personen zuzugehen und sie anzusprechen.
Dies werde in die Ausbildung der Mitarbeitenden einfliessen. Andreas Meyer appelliert auch an die Kunden:
«Wenn man Menschen in Not sieht, kann es viel helfen, diese anzusprechen.»
Suizidforscher Thomas Reisch bestätigt: «Studien haben gezeigt, dass sich vom Suizid abgehaltene Personen nicht eine andere Methode suchen.»
Die Person befinde sich in diesem Moment in einem Ausnahmezustand.
Dabei stützt er sich auf eine Studie zur Golden Gate Bridge in San Francisco, wo von 515 zurückgehaltenen Personen, die Suizid begehen wollten,
sich danach nur noch fünf Prozent das Leben genommen hätten. Das mache Hoffnung. Reisch: «Jeder verhinderte Suizid kann ein Leben retten.»
20min 06.05.2015