BTB-Boykott 1951

  • kleine Geschichtsstunde der Basler Zeitung vom 22. März 2011

    Boykotteure nahmen Bus statt blaues Bähnli
    Georg Schmidt

    Ein massiver Preisaufschlag führte Anfang 1951 zu einem Boykott der Birsigtalbahn. Die Bahnkunden benutzten eine Extra-Autobuslinie über Saint-Louis bis zur Landesgrenze, wo sie aufs BVB-Tram umstiegen.

    Rund 300 Benützer der Birsigtalbahn ( BTB) nahmen am 22. März 1951 im Ettinger Restaurant Fürstenstein eine entscheidende Weichenstellung vor. Sie stimmten in einem Tarifstreit mit der BTBeinem Kompromissvorschlag zu und setzten damit einen Schlussstrich unter den Konflikt, der zu Beginn jenes Jahres ausgebrochen war und sich bis zum Boykott der Vorortslinie ausgeweitet hatte. «Ende Feuer» titelte die «National-Zeitung», die «Basler Nachrichten» sprachen von einer «Verständigung im Birsigtalbahn-Krieg».

    Diese martialische Metaphorik, die sich in der Berichterstattung immer wieder findet, mag übertrieben sein. Die Auseinandersetzung hatte es aber in sich – involviert waren zeitweise auch die Regierungsräte Heinrich Abegg (Baselland), Gustav Wenk (Basel-Stadt) und Urs Dietschi (Solothurn).

    Auslöser des Konflikts war ein Preisaufschlag, den die BTBam Stephanstag des Jahres 1950 angekündigt und bereits auf den Jahreswechsel in Kraft gesetzt hatte. So verteuerte sich ein Monatsabonnement für die Strecke Basel–Bättwil um 28 Prozent; für die Strecke Basel–Dorenbach wurde der Abo-Preis um 17 Prozent erhöht. Betroffen waren auch die Arbeiterkarten, welche für eine Hin- und Rückfahrt pro Tag gültig waren – hier machten die Preiserhöhungen bis zu 67 Prozent aus. «Für kleine Leute ist dieser Aufschlag kaum tragbar», schrieb die «National-Zeitung».

    Resolution verabschiedet. Bereits am 2. oder 3. Januar – das Datum differiert je nach Quelle – wurde der Aufschlag an einer öffentlichen Versammlung, die gemäss Medienberichten von 200 Personen besucht wurde, als «rücksichtslos» bezeichnet. Weiter hiess es in der dort verabschiedeten Resolution: «Die Versammlung lehnt einen Teuerungszuschlag grundsätzlich ab.» Eine Abordnung sollte das Gespräch mit der BTB-Direktion suchen. Fast drei Monate lang wurde in der Folge um eine Lösung gerungen. Die BTBrechtfertigte den Preisaufschlag Anfang Februar mit einer «für alle Bahnen spürbaren Abwanderung auf die Strasse» und der Dividendenpolitik früherer Jahre, für welche die amtierende Direktion aber nicht verantwortlich gemacht werden könne.

    Dennoch erklärte sie sich bereit, die Tariferhöhungen auf maximal 30 Prozent zu beschränken. Wenige Tage später legten ihrerseits Gemeindevertreter aus dem Leimental den Vorschlag vor, die Tarife um maximal 25 Prozent anzuheben – die BTBstimmte zu. Schliesslich folgte an einer weiteren Versammlung Mitte Februar noch ein Vorschlag von Felix Auer (siehe Text rechts oben), der zwar eine Mehrheit fand, aber die Situation nur kurzfristig entkrampfen konnte.

    Extremere Richtung. Dazu hiess es in den «Basler Nachrichten»: «Es scheint eine extremere Richtung zu bestehen, die nun offenbar im Initiativkomitee die Mehrheit gewonnen hat und trotz den entscheidenden Zugeständnissen der Bahn dieser den Kampf ansagt.» Das Komitee «wird die vorbereiteten Boykottmassnahmen am kommenden Montag zur Durchführung bringen», schrieb die «National-Zeitung» am 26. Februar.

    So kam es dann auch: «Ab Montag, 26. Februar 1951, boykottierte ein Teil der bisherigen Kunden die Bahn», heisst es auf der Website «geschichte.bl.ch». Die unzufriedenen Bahnkunden, so ist weiter zu lesen, «benutzten eine Extra-Autobuslinie von Biederthal nach Saint-Louis zur Landesgrenze. Ab Saint-Louis übernahmen die Trams der Basler Verkehrsbetriebe den Weitertransport.»

    Wie stark der Boykott befolgt wurde, ist nicht mehr mit Sicherheit zu klären. Der damalige BTB-Direktor Jules Frei sprach von «maximal 140 Personen», welche den Bus benützt hätten – und kritisierte die Medien, welche in «ausgesprochen tendenziösen Bildreportagen» leere BTB-Züge gezeigt hätten, die aber nicht im Betrieb, sondern auf Abstellgleisen aufgenommen worden seien.

    Registriert wurden aber auch Velo- und Motorradfahrer mit «Boykottfähnchen», was die «Basler Nachrichten» auf eine Gesamtbeteiligung von 250 Personen am Boykott schliessen lässt. Diese Zahl dürfte in etwa stimmen: «Bis zum Boykott beförderte die BTBtäglich durchschnittlich 2000 Personen – nachher waren es täglich noch 1750», hiess es in der «National-Zeitung».

    Abwanderung. Der Konflikt weist zwei Besonderheiten auf, die heute nur noch schwer zu verstehen sind: Die Preiserhöhungen, so ging die Befürchtung, könnten zu einer «Landflucht» («Basler Nachrichten») respektive «Abwanderung der Bevölkerung nach den stadtnahen Gemeinden oder nach der Stadt» («National-Zeitung») führen. Und: Der Vorschlag der Bahnbenützer, man solle die fehlenden Mittel doch durch Subventionsgesuche an die Kantone hereinzuholen versuchen, wurde von der BTB-Direktion brüsk abgelehnt. Man wolle «wenn immer möglich ohne die Hilfe der öffentlichen Hand weiterexistieren», wird ein Sprecher des Verwaltungsrats am 9. Februar 1951 in den «Basler Nachrichten» zitiert.

    Bleibt die Zahl nachzutragen, auf die man sich an jenem 22. März 1951 geeinigt hatte: Der Maximalaufschlag wurde auf 22,5 Prozent festgesetzt. Wobei «Aufrundungen auf 10 Rp. toleriert» wurden.

    Zeitzeuge Felix Auer erinnert sich
    Information mangelhaft. Der langjährige FDP-Nationalrat Felix Auer aus Bottmingen hat den Boykott der Birsigtalbahn hautnah miterlebt. Der heute 86-Jährige war beim Komitee der unzufriedenen BTB-Kunden mit von der Partie. Als es um die Alternative zwischen dem 25-Prozent-Vorschlag der Gemeindevertreter und einem Boykott ging, legte Auer an einer Versammlung vom 15. Februar 1951 einen Kompromissvorschlag vor (maximal 25 Prozent Aufschlag plus Subventionsgesuch der BTB). Dieser fand zwar Zustimmung, konnte die Kampfmassnahmen letztlich aber nur hinauszögern. «Das Problem war nicht nur der Preisaufschlag, sondern auch die mangelhafte Informationspolitik – die Leute erfuhren am Billettschalter von den Aufschlägen, was sie verärgerte», sagt Auer. Der Boykott sei dann «ziemlich gut befolgt» worden. Allerdings hätten die französischen Behörden nach einer gewissen Zeit wegen der fehlenden Konzession die Einstellung des Busbetriebs von Flüh via Elsass nach Basel erzwungen. Die Situation in Bottmingen beschreibt er so: «Viele Leute, die damals schon ein Auto hatten, fuhren zur Station und brachten die Leute von dort in die Stadt.»gs