Tram-Revolution auf vier Rädern

  • Tram-Revolution auf vier Rädern

    VOR 20 JAHREN DEMONSTRIERTEN MÜNCHENSTEINER JUGENDLICHE FÜR EIN NACHTTRÄMLI

    Ein komischeres Gefährt gabs auf den Schienen des 11ers noch nie: Mit ihrem selbstgebastelten «Trämli» forderten Jugendliche in den Achtzigerjahren Politik und Polizei heraus. Heute ist ihr Anliegen erfüllt.

    Jedes Wochenende lassen sich Hunderte von Jugendlichen in Nachtbussen vom Barfüsserplatz nach Hause aufs Land fahren. Seit einigen Jahren ist das nichts Aussergewöhnliches mehr, doch noch 1986 kamen feiernde Jugendliche nach elf Uhr abends kaum mehr von der Stadt in die Vororte. Die «Birsmugge», eine Jugendgruppe bestehend aus Schülern des Gymnasiums Münchenstein, wollte das nicht länger hinnehmen.
    Um sich Gehör zu verschaffen, bastelten sie, zusammen mit der Gruppierung «Revolutionär-Sozialistische Jugendorganisation», ihr eigenes, sieben Meter langes Trämli.

    AUF DIE SCHIENEN. Am frühen Morgen des 13. April 1986 setzten sie es in Reinach auf die Schienen. Punkt 1.08 Uhr knatterte der Deux-Chevaux-Motor los, das Demo-Mobil fuhr mit 30 Fahrgästen im Schneckentempo Richtung Basel. Die Baselbieter Polizei ahnte nichts, und es waren ihre Basler Kollegen, die den bunten Tross zwischen Denkmal und Aeschenplatz zur Umkehr zwangen. Definitiv fertig war die Spritzfahrt beim Dreispitz, wo die BVB das Fahrzeug wegen Unvereinbarkeit mit den technischen Vorschriften ins Depot lenkten.

    «Aus Sicherheitsgründen durften wir das Fahrzeug nicht dulden», meint heute der damalige BLT-Direktor Paul Messmer. «Aber ich konnte meine persönliche Freude an der Aktion nicht verheimlichen.» Neben der technischen Leistung der Jugendlichen beeindruckte ihn, dass sie ihr Anliegen so vortrugen, dass sie auch gehört wurden.
    Die Forderungen der Jugendlichen waren nicht aus der Luft gegriffen: 2500 Unterschriften hatte die Petition, die sie der BLT parallel zu ihrer Trämli-Demo überreichten. Darin verlangten sie den Einstundentakt auf der Linie 11 in der Nacht von Samstag auf Sonntag, unter der Woche Fahrten bis 1 Uhr, Verzicht auf Tariferhöhungen, Veloanhänger, eine durchgehende Doppelspur, regengeschützte Haltestellen und Musik im Tram.

    KATZ UND MAUS. Im Herbst 1986 verzichtete der Landrat ausdrücklich auf einen Nachtbetrieb auf den BLT-Linien. «Die entsprechenden Testversuche hatten keine positiven Resultate ergeben», sagt Messmer. Doch der Traum eines Nachttrams war nicht so leicht unterzukriegen. Ein Jahr später setzten die «Birsmugge» ihr Fahrzeug abermals auf die Schienen des Elfers, diesmal angekündigt. Nach einem Katz-und-Maus-Spiel auf Schienen und Strassen mit der Baselbieter Polizei wurde es konfisziert.

    Die Verkehrsbetriebe verzichteten auf Strafverfolgung - gegen das Versprechen der «Birsmugge», das Tram nie mehr auf die Schienen zu setzen. Die Jugendgruppe hielt sich daran, doch die weitere Entwicklung gab den Tramrevolutionären recht: Zwar stehen die Trams in der Nacht weiterhin still, aber seit einigen Jahren fahren an den Wochenenden Nachtbusse in die Agglomeration.
    «Dazu haben die Jugendlichen mit ihrer Aktion sicher beigetragen», sagt heute Messmer anerkennend. Nur eines bleibt den Fahrgästen bis heute verwehrt: Sie müssen - oder dürfen - weiterhin ohne Musikbeschallung Tram fahren.

    Quelle: Basler Zeitung vom 18.08.2007, Autor: Michel Ecklin

    Viel beachtet. Am 14. April 1986 berichtete die Basler Zeitung über die spektakuläre Aktion der Münchensteiner Gymeler - viele weitere Berichte sollten folgen.