Pferdekräfte in dünnem Kupferdraht

  • Geburt des "Drämmli": Heute vor 120 Jahren, am 6. Mai 1895, hat in Basel das Zeitalter der elektrischen Straßenbahn begonnen.

    BASEL. Kaum eine Stadt hat ihr öffentliches Hauptverkehrsmittel so sehr ins Herz geschlossen wie Basel seine Straßenbahn.
    Liebevoll ist oft vom "Drämmli" die Rede.
    In puncto Popularität können es allenfalls die Fasnacht und der FCB mit der Tram aufnehmen.
    Heute vor 120 Jahren, am 6. Mai 1895, fuhr zum ersten Mal eine elektrische Straßenbahn in Basel im Regelbetrieb.

    Die Vorgeschichte
    Droschken bestimmten im 19. Jahrhundert auch in Basel das Stadtbild.
    Zwar gab es schon 1874 einen ersten Bewilligungsantrag für eine Pferdestraßenbahn, einen schienengebundenen Zwitter zwischen Kutsche und Eisenbahn, wie er etwa in Genf schon seit 1962 verkehrte.
    Basel setzte aber zunächst auf die Straße: Am 11. Juli 1881 wurde der Tramomnibus eröffnet. Dieses "Rösslitram" fuhr nicht auf Schienen, sondern war ein von Pferden gezogenes Straßenfuhrwerk.

    Der 6. Mai 1895
    Die Elektrizität hielt erst Jahre später Einzug; das Rösslitram war langsam, unbequem und teuer für Betreiber wie Kunden.
    Vorbild war die Tramway Mülhausen, die seit Juli 1894 zwischen Mülhausen und Dornach verkehrte.
    Die Basler war die erste nicht private, sondern von einer staatlichen Behörde betriebene Straßenbahn der Schweiz.
    Die Eröffnungder Neuheit war allerdings ziemlich unspektakulär, wie der Historiker Stephan Appenzeller,
    heute Leiter Kommunikation und PR bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB), in seinem Buch "Basel und sein Tram" festhält:

    Zur Feier am 4. Mai waren keine 40 Gäste eingeladen; die Presse war nicht dabei.
    Die kleine Schar besichtigte die elektrischen Anlagen und fuhr in zwei festlich dekorieren Tramwagen die Strecke ab und dinierte abends im Restaurant Schützenhaus.
    Für den gewöhnlichen Basler begann das Zeitalter der Straßenbahn zwei Tage später:
    Um 6.30 Uhr fuhr der erste Motorwagen bei der Endstation beim Centralbahnhof (heute Bahnhof SBB) ab.
    Die erste Linie der Tramstadt Basel führt von dort über die Mittlere Brücke bis zum alten Badischen Bahnhof am Riehenring (heute Messe).
    Bis heute ist die Verbindung der beiden Bahnhöfe der Hauptstrang im Basler Tramnetz.
    Am 7. Mai 1895 legte eine Panne im Kraftwerk den Trambetrieb erstmals für zehn Minuten lahm.

    Das eigentlich Moderne sei weniger die Straßenbahn gewesen als die dadurch in Basel erstmals in großem Maßstab angewendete Elektrizität,
    schreibt Appenzeller. "Scheint es nicht ganz unglaublich, dass Hunderte von Pferdekräften in einem dünnen Kupferdraht viele Stunden weit geleitet werden können",
    fragt denn auch euch ein Redakteur der National-Zeitung wenige Tage nach der Eröffnung.

    Die Bedeutung damals
    Die Bedeutung der Einführung der elektrischen Straßenbahn für Basel sei kaum zu überschätzen, ist Fabian Richard aus Steinen, Präsident des Tramclubs Basel,
    der sich für den Erhalt historisch wertvoller Straßenbahnwagen einsetzt und den Aufbau eines Basler Tram-Museums unterstützt, überzeugt.
    "Die Tram hat die Stadt auf den Kopf gestellt, alles revolutioniert."
    Plötzlich waren Distanzen nicht mehr fußläufig relevant; Arbeiter konnten auch in den Außenquartieren leben und in der Stadt arbeiten.
    Die Straßenbahn löste massive soziale Umwälzungen aus:
    Der Normalbürger konnte sich das Reisen leisten; Anstellungsbedingungen nach Eisenbahngesetz deutlich über denen der Kutscher, der täglich 24 Stunden verfügbar war,
    gewissermaßen lebte, um zu arbeiten. Im Straßenbahnpersonal, für das mit der Tram hautnah eine neue Zeit angebrochen war,
    gärte es und es kristallisierten sich die Arbeitskämpfe, war anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Tram in Basel" in der Basler Zeitung zu lesen.
    Wegen der Mobilmachung der Männer im Zweiten Weltkrieg wurden erstmals Frauen in den Tramdienst aufgenommen.
    Wenige Jahre später stand die Straßenbahn im sogenannten Tramkrieg vor der Existenzfrage:
    Schiene oder Straße? Tram oder Auto? Erst mit der Einführung des Umweltschutz-Abos 1984 war das Kriegsbeil endgültig begraben.

    Die Gegenwart der BVB
    Die BVB, die 1947 aus den "Basler Strassen-Bahnen" (BStB) hervorgegangen sind, betreiben heute neun Tramlinien mit einer Gesamtlänge von knapp 66 Kilometern.
    Darauf verkehren 128 Tramwagen sowie 80 Anhänger. Rund 1200 Mitarbeiter befördern – einschließlich der 99 Busse auf 12 Linien – pro Jahr fast 133 Millionen Fahrgäste.
    Zusammengerechnet umrunden alle Fahrzeuge der BVB jeden Tag einmal die Erde.
    Derzeit modernisiert die größte Partnerin im Tarifverbund Nordwestschweiz ihre Straßenbahnflotte.
    Ende 2017 soll die letzte von 61 Flexity-Trams ausgeliefert werden. Die Farbe grün der Basler Trams hat ihren Ursprung entgegen anderen,
    teils abenteuerlichen Geschichten darin, dass Ende des 19. Jahrhunderts die städtischen Fahrzeuge in Basel grün waren, erklärt Fabian Richard.

    Der Blick in die Zukunft
    Zuversichtlich äußert sich Regierungsrat Hans-Peter Wessels, Vorsteher des baselstädtischen Bau- und Verkehrsdepartements, zur Zukunft der Tram in Basel:
    ""Ein Transportmittel für den lokalen und regionalen öffentlichen Verkehr, das nach 120 Jahren immer noch erfolgreich weiterentwickelt und ausgebaut wird, ist ein Riesenerfolg."
    Projekte wie die Tramverlängerung nach Weil am Rhein oder die geplante nach Saint-Louis sowie die Vorhaben im Rahmen des Konzepts "Tramnetz 2020" würden dafür sorgen,
    dass die Tram noch sehr lange attraktiv bleibt.


    Tram grenzenlos
    Im Dezember 2014 wurde die Verlängerung der Tramlinie 8 nach Weil am Rhein in Betrieb genommen – bisher mit einem Zuspruch, der alle Erwartungen übertrifft.
    Im April begannen in Saint-Louis erste Vorarbeiten, um die Linie 3 voraussichtlich bis Ende 2017 bis zum Bahnhof der elsässischen Stadt weiterzuführen. Grenzüberschreitende
    Tramverbindungen sind in Basel aber keineswegs ein Novum des 21. Jahrhunderts. Von 1919 bis 31. August 1967 – mit einem achtjährigen Unterbruch wegen des Zweiten Weltkriegs
    – war Lörrach, seit 1947 in Eigenregie der Stadt, an das Basler Straßenbahnnetz angebunden.
    In die elsässische Nachbargemeinde Hüningen fuhren von 1910 bis 1961 Trams, ins zunächst deutsche Sankt Ludwig, heute französische Saint-Louis verkehrten
    – ebenfalls mit kriegsbedingten Unterbrüchen – von 1900 bis 1957 Straßenbahnen. Diese drei grenzüberschreitenden Linien wurden allesamt auf Busbetrieb umgestellt.

    Badische Zeitung 06.05.2015