Im Zug Yoga machen, Partys feiern und für die Billette mehr bezahlen: So sieht die Bahn von morgen aus, sagt eine Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts.
Am Morgen fährt Tobias mit seinem Share-Velo zum Bahnhof. Im Zug rennt er eine halbe Stunde auf dem Laufband, bevor er im Bürowagen seine Mails checkt. Als er aussteigt und an einem Laden vorbeigeht, piepst sein Handy: «Schokolade und Früchte einkaufen», erinnert es. Nach dem Einkauf fährt er per Mitfahrgelegenheit ins Büro.
So wird in zwölf Jahren unser Alltag aussehen. Diese Zukunft jedenfalls skizziert die Studie «Mobilität 2025» des Gottlieb-Duttweiler-Institutes. Denn eins sei klar, sagt Co-Autor Frerk Froböse: «Weitermachen wie bisher – mit Staus und überfüllten Zügen – ist keine Option.» Fünf Beispiele, wie sich unser Leben verändern könnte.
Fitness- und Discozug
Die Bahn ist nicht mehr nur Transportmittel. «Die Leute wollen die Zeit unterwegs für andere Aktivitäten nutzen», sagt Frerk Froböse. So soll man darin Yoga machen können oder eine Party feiern. «Die Idee ist, dass die SBB den Passagieren einige neutrale Wagen zur Verfügung stellen. Private Anbieter entscheiden dann selbst, was sie im Wagen betreiben wollen.»
Auf bestimmten Strecken und zu bestimmten Zeiten gäbe es dann den Fitness- oder eben den Discozug. Was ist davon zu halten? Peter Kolbe von der Unternehmensentwicklung SBB gibt sich diplomatisch: «Wir richten uns nach den Bedürfnissen der Kunden. Das haben wir etwa mit dem Einbau von Steckdosen gezeigt, oder mit dem Aufstellen von Signalverstärkern für die Handys. Am wichtigsten ist uns aber, dass alle Kunden einen Sitzplatz haben.» Im Moment sei ein Fitnessstudio kein Thema. Ebenso wenig wie ein Discozug.
Doppelt so teure Tickets
Künftig werden die Leute vermehrt dort wohnen, wo sie arbeiten: in der Stadt und Umgebung. Dies, weil die Mobilität laut Froböse teurer wird. «Die Bürger werden eines Tages merken, dass wir das heutige Niveau auf Bahn und Strasse nicht halten können, wenn wir nicht mehr dafür bezahlen.» Er glaubt, dass ein Zugbillett bis 2025 mindestens doppelt so viel kosten wird. Dadurch werde das Pendeln viel weniger attraktiv. Gleichzeitig würde damit die Zersiedelung gestoppt.
«Der öffentliche Verkehr muss bezahlbar bleiben», hält Peter Kolbe von der SBB dagegen. Tariferhöhungen gebe es diesen Dezember keine.
Serviceabbau auf dem Land
Auf dem Land und in der Stadt würde nicht mehr der gleiche Service angeboten. «Wir gehen davon aus, dass sich die Unterschiede zwischen Stadt und Land verstärken», sagt Froböse. Das Land bliebe mehr Land, die Stadt würde mehr Stadt. Deshalb mache es auch keinen Sinn, Züge durchs Land fahren zu lassen, die ausserhalb der Stosszeiten fast leer sind. Auch das Auto werde weiter an Attraktivität verlieren, glaubt Froböse: «Die Gleichung Auto bedeutet Freiheit ist längst durch die Realität widerlegt. Stattdessen steht man jeden Morgen und Abend eine Stunde im Stau.»
Zu einem möglichen Serviceabbau auf dem Land sagt SBB-Unternehmensentwickler Peter Kolbe: «Die Kantone entscheiden zum grossen Teil, wie sie das Angebot auf dem Land ausgestalten.» Doch sei es gerade die Stärke des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz, dass fast jedes Dorf erschlossen sei. «Den hohen Service auf dem Land muss man bewahren.»
SMS bei Verspätung
Die Autoren der Studie glauben, dass sich Züge, Autos oder Busse den individuellen Ansprüchen der Benutzer anpassen werden. So könnten Busse von ihrer vorgegebener Route abweichen, um einen Fahrgast eine Strasse weiter aufzulesen. Oder ein verspäteter Zug schickt den betroffenen Passagieren eine SMS. Wie Peter Kolbe von der SBB festhält, ist diese Forderung schon Realität: «Bereits heute werden Verpätungen von Zügen auf der SBB-App gemeldet.»
Damit die Vernetzung von Netz und Passagier auch Realität werden kann, müssten die Benutzer allerdings ihre Daten ins System einspeisen. Froböse glaubt, dass die Leute damit kein Problem hätten, solange sie davon profitierten: «Google Maps funktioniert ja genau so. Es kann uns sagen, wo es Stau hat, weil andere Benutzer ihre Daten an das System weiterleiten.»
Günstigere Stehplätze
Um für mehr Preisgerechtigkeit zu sorgen, schlägt Froböse zudem vor, für Sitze und Stehplätze verschieden teure Tickets anzubieten. «Während einer Fahrt von 20 Minuten braucht man nicht unbedingt zu sitzen.» Es würde deshalb Sinn machen, Billette für Stehplätze zu verkaufen. «Bereits heute ist es ja so, dass man den ganzen Preis zahlt, obwohl man am Morgen vielleicht nicht sitzen kann.» Doch die SBB winken auch hier ab: «Unser Ziel ist es, Sitzplätze anzubieten; keine Stehplätze.»
Quelle: 20 Minuten
Link zur 20 Minuten (Mit Umfrage):
http://www.20min.ch/schweiz/news/s…ndelns-14586727