Bringt die Bahnvorlage Fabi mehr Platz in den Zügen? Und wer berappt den Ausbau? Befürworterin Evi Allemann (SP) und Gegner Walter Wobmann (SVP) zu den grössten Streitpunkten.
Seit 1998 hat der Personenverkehr auf der Schiene um 60 Prozent zugenommen - Bahnhöfe und Züge sind überfüllt. Ändert sich das, wenn das Volk Ja sagt zum Bahnfonds (vgl. Box)?
Walter Wobmann: Das System läuft am Limit - keine Frage. Der Grund für die überfüllten Züge ist aber hauptsächlich die Masseneinwanderung der letzten Jahre. Wenn die Zuwanderung weiterhin so hoch bleibt, sind auch die für den Ausbau der Bahninfrastruktur bis 2025 vorgesehenen 6,4 Milliarden Franken ein Tropfen auf dem heissen Stein. Man irrt sich gewaltig, wenn man glaubt, mit dem Bahnfonds seien die Kapazitätsprobleme gelöst.
Evi Allemann: Ja, die Vorlage setzt genau hier an. Die Pendelnden sollen wieder komfortabler reisen können. Die Priorität liegt klar bei der Schaffung von mehr Kapazität: zum Beispiel durch Züge mit mehr Sitzplätzen sowie besser zugänglichen Bahnhöfen und Perrons. Gleichzeitig sichert der neue Bahninfrastrukturfond die Finanzierung des Unterhalts und Betriebs langfristig. So kann die Erfolgsgeschichte des öffentlichen Verkehrs weitergeschrieben werden.
Müssen wir mehr Steuern bezahlen, wenn Fabi angenommen wird?
Walter Wobmann: Ja, definitiv. Denn der Fonds braucht neue Mittel in der Höhe von rund einer Milliarde Franken, unter anderem aus der Mehrwertsteuer. Die Begrenzung des Pendlerabzug auf 3000 Franken soll 200 Millionen Franken in die Kassen spülen. Das trifft vor allem die Autofahrer auf dem Land, die weite Strecken zur Arbeit zurücklegen müssen. Weil auch Gelder aus der LSVA und der Mineralölsteuer zur Bahn gehen, subventioniert die Strasse die Bahn.
Evi Allemann: Ein gutes Bahnnetz kostet, bringt aber auch einen grossen Nutzen für alle, die den öffentlichen Verkehr benutzen. Fabi verteilt die Kosten fair unter denjenigen, die vom Ausbau profitieren. Die Pendelnden werden immer noch steuerlich begünstig, aber der mögliche Abzug wird für alle auf die gleichen 3000 Franken begrenzt. Das verhindert Exzesse von Steuerabzügen bis zu 70'000 Franken. 80 Prozent der Pendler sind davon aber nicht betroffen, weil sie schon heute nicht mehr als 3000 Franken abziehen können.
Der Bundesrat verspricht sich von Fabi auch mehr Sicherheit. Verlottert bei einem Nein unser Schienennetz?
Walter Wobmann: Nein. Man müsste einfach über die Bücher und eine vernünftigere Vorlage ausarbeiten. Denn dass es einen Fonds für den Unterhalt der Bahninfrastruktur braucht, ist unbestritten. Ich bin auch nicht gegen die Bahn - ich wehre mich einfach gegen diese Zweckentfremdung der Strassengelder.
Evi Allemann: Rund 60 Prozent der Gelder sind für den Unterhalt des Schienennetzes vorgesehen, damit die Bahnnutzenden auch künftig sicher und pünktlich ans Ziel kommen. Bei einem Nein zu Fabi fehlt dieses Geld. Das würde die Bahn schwächen und hätte Überlastungen auf der Strasse zur Folge. Für die Lebensqualität und den Wirtschaftsstandort Schweiz wäre dies verheerend.
Bis 2025 soll die Bahn für 6,4 Milliarden Franken ausgebaut werden. Wie viel Ausbau brauchen wir?
Walter Wobmann: Wir brauchen Ausbau an den richtigen Stellen. Bei dieser Vorlage haben einfach alle Regionen wie in einem Wunschkonzert ihre Ansprüche angemeldet - und man hat allen etwas gegeben, um eine möglichst hohe Zustimmung zu erreichen. Jetzt haben wir Ausbauprojekte in Randregionen drin, wo die Züge weniger überfüllt sind als in den Agglomerationen. Vergessen wir nicht: Der Bundesrat hatte ursprünglich bloss einen Ausbau für 3,5 Milliarden Franken vorgeschlagen.
Evi Allemann: Nur etwa ein Fünftel der Gelder sind für den Ausbau gedacht. Das macht Sinn: Das Schienennetz soll dort gezielt ausgebaut werden, wo Engpässe bestehen.
Bluten die Autofahrer für die Bahnfahrer?
Walter Wobmann: Wieder einmal wird auf dem Rücken der Autofahrer Politik gemacht. Das ist mit ein Grund, wieso ich wie bei der Vignette ein Gegenkomitee auf die Beine stelle. Es bluten allerdings nicht nur die Autofahrer: Die Vorlage trifft auch die Bahnfahrer, weil die Billettpreise steigen. Das kehren die Befürworter aber gerne unter den Tisch.
Evi Allemann: Nein, denn nur ein geringer Teil der Gelder stammt aus der LSVA und der Mineralölsteuer. Auch die Autofahrer profitieren von einem guten Bahnnetz, denn sonst wären die Strassen völlig überfüllt. Zudem floss seit Jahrzehnten stets mehr Steuergeld in die Strasse als in die Schiene. Von einer Benachteiligung der Strasse zu reden, ist deshalb eine Verdrehung der Tatsachen.
Fabi hat fast keine Gegner. Warum?
Walter Wobmann: Die Bahn ist in der Schweiz eine heilige Kuh. Viele Politiker haben das Gefühl, dass sie da nur ja und amen sagen können. Dabei bin ich nicht der Einzige, der findet, dass die Vorlage überladen ist.
Evi Allemann: Der öffentliche Verkehr ist eine Erfolgsgeschichte für unser Land. Pendelnde, Tourismus, Transportunternehmen und die Wirtschaft profitieren von einem starken öffentlichen Verkehr. Wer Nein sagt, wehrt sich gegen eine leistungsfähige, moderne Schweiz.
Darum geht es
Am Montag hat das überparteiliche Pro-Komitee seinen Abstimmungskampf für die Vorlage zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (Fabi) lanciert, die am 9. Februar vors Volk kommt. Mit einem unbefristeten Fonds wollen Bund und Kantone jährlich rund eine Milliarde Franken mehr als bisher in die Bahnanlagen investieren und so den Unterhalt und Ausbau der Bahnanlagen auf eine solide finanzielle Basis stellen. Die zusätzlichen Mittel sollen von den Kantonen, aus einem Mehrwersteuerpromille, der Erhöhung der Billettpreise und der Beschränkung des Pendlerabzugs kommen. Bis ins Jahr 2025 sind zudem Ausbauten in der Höhe von 6,4 Milliarden Franken vorgesehen. Widerstand kommt bislang vor allem aus den Reihen der SVP.
Quelle: 20 Minuten (17.12.13)