BaZ: Frau Pegoraro, 65 Prozent der Baselbieter Stimmbevölkerung haben die beiden Ziffern im 8. Generellen Leistungsauftrag (GLA), welche die Stilllegung des Läufelfingerlis betreffen, deutlich abgelehnt. Haben Sie mit einer so deutlichen Niederlage gerechnet?
Sabine Pegoraro: Ich bin nicht überrascht über das Resultat, da es sich abgezeichnet hat. Es war eine hoch emotionale Abstimmung. Mit einer sachlichen Argumentation hat man es sehr schwer gegen eine Mobilisierung, wie sie beispielsweise an der Landsgemeinde in Rümlingen zum Ausdruck gekommen ist.
Was bedeutet dieses Resultat für die S9-Strecke? Wie geht es nun weiter?
Der Zug fährt auch in den Jahren 2020 und 2021 weiter. Das heisst, dass wir den 8. GLA entsprechend anpassen und dann wieder dem Landrat vorlegen werden. Das Abstimmungsergebnis interpretiere ich so, dass die Bevölkerung die Einsparung der 840'000 Franken bei der S9 nicht wollte. Da der GLA ansonsten unbestritten war, muss man von mir aus gesehen am Rest nichts ändern. Ob man das Geld an einem anderen Ort einsparen muss, wie es das Parlament uns vorgeschrieben hat, entscheidet aber die Regierung. Wenn der Leistungsauftrag überarbeitet wurde, muss ihn der Landrat verabschieden. Ich gehe davon aus, dass es dann kein Referendum mehr gibt, sodass er rechtzeitig in Kraft treten kann.
Was wird man unternehmen, um die Auslastung des Läufelfingerlis zu verbessern?
Ich glaube nicht, dass dies meine Aufgabe ist. Es ist jetzt an den Homburgertalerinnen und Homburgertalern, dafür zu sorgen, dass dieser Zug besser genutzt wird. Wir können keinen Lift bauen, der die Leute von den Dörfern an den Bahnhof bringt. Wenn alle, die heute Nein gestimmt haben, jetzt nur noch mit der S9 fahren, dann haben wir keine Probleme mehr. Was wir machen konnten, haben wir gemacht.
Die Stimmenden haben sich kantonsumfassend für das Läufelfingerli ausgesprochen. In keinem einzigen Bezirk konnten die Argumente der Befürworter überzeugen. Woran liegt es, dass Ihre Gegner auch im Unterbaselbiet gewonnen haben?
Ich denke, das liegt an der Emotionalität. Die Baselbieter scheinen sich mit dem Homburgertal solidarisiert zu haben und möchten der ansässigen Bevölkerung ihr Züglein nicht wegnehmen. Bei so viel Emotionen sind 840 000 Franken nicht mehr so viel Geld. Das ist ein Bauchentscheid. Die Zahlen und Fakten würden ja klar dagegen sprechen.
Die bürgerliche Mehrheit in der Regierung und im Parlament scheint deutlich am Volk vorbei politisiert zu haben. Wie werten Sie das?
Als Regierungsrätin habe ich eine klare Aufgabe: Ich muss Vorlagen bringen. Dabei orientiere ich mich an den gesetzlichen Vorgaben und an der Verfassung. Das ÖV-Dekret sagt klar, dass eine Linie, die einen Kostendeckungsgrad von unter 25 Prozent aufweist, nicht in den GLA darf. Dies wird laufend umgangen, beim Läufelfingerli seit etwa 30 Jahren. Wir sind aber verpflichtet, die Vorgaben einzuhalten. Da stellt sich nun die Frage, ob dies am Volk vorbei politisiert ist. Es sind auch Einzelfall-Abstimmungen, die man nicht generalisieren darf.
Das Nein zur Stilllegung des Läufelfingerlis setzt Ihre Serie von Abstimmungen, die Sie verlieren, fort. Wie interpretieren Sie das?
Es waren alles sehr schwierige Themen, die ideologisch stark umstritten waren, das muss man schon auch sehen. Bei der Energieabgabe ging es um die grundsätzliche Frage, in welche Richtung es im Baselbiet künftig gehen soll. Auch ÖV-Themen oder Diskussionen um den Service public im Allgemeinen sind immer sehr umstritten, weil es letztlich um Infrastruktur geht, die man täglich braucht. Da gehen die Emotionen schnell hoch. Das ist wie bei der Poststellenschliessung. Kaum mehr jemand geht im eigenen Dorf noch auf die Post. Aber wenn man eine Poststelle schliessen will, wehren sich alle dagegen.