Personalmangel bei der BVB?

  • Ein Weiler als Tramführer
    Mit der Verlängerung der Tram 8 nach Weil hat Üryan Önal seinen Traumberuf gefunden.

    Sie ist 43 Meter lang, sehr grün und hört auf den Familiennamen Combino.
    Sie kostete 3,5 Millionen Schweizer Franken, fährt als Tram in 28 Exemplaren auf meterspurigen Schienen,
    wiegt 47 Tonnen und zeigt sich seit der Verlängerung der Linie 8 nach Weil am Rhein im Dezember 2014 fahrplanmäßig am Weiler Bahnhof.
    Zur gleichen Zeit wurde Üryan Önal (37) aus Weil am Rhein bei den Basler Verkehrs-betrieben (BVB) in den Liniendienst übernommen.
    Sein Lieblingsfahrzeug ist der Combino.

    "Die Idee stammt von meinen Brüdern, die beide Lokführer im ICE-Dienst bei der Deutschen Bahn sind.
    Im Führerstand nicht eines Zuges, aber einer Tram, das konnte ich mir gut vorstellen." Önal war sechzehn Jahren als Maschineneinrichter bei einer Dreherei beschäftigt.
    Die Firma wechselte den Besitzer, Zeit zum Wechseln. Er hat sich in der Lokalpolitik engagiert, aber während der Ausbildung ruhte sein Vorstandsposten bei der Weiler FDP.

    Ausführlicher Eignungstest
    Als Tramfahrer wird man nicht geboren. Zunächst einmal muss der Bewerber einen Eignungstest absolvieren und bestehen.
    Da werden Reaktionszeit und Sehleistung geprüft, ein psychologischer und ein medizinischer Test schließen sich an.
    "Bei mir", berichtet Önal, "ging das alles sehr schnell. Der Test fand im Mai statt, und im Juli bin ich noch in eine Ausbildungsgruppe hineingerutscht."

    Dann begann die Fahrschulzeit von rund drei Monaten, davon ein Monat Theorie und praktische Übungen.
    Während dieser Zeit sind jeweils drei Schüler mit einer Fahrschultram auf dem gesamten Liniennetz unterwegs.
    "Ich bin vom ersten Moment an selbst gefahren", berichtet Önal.
    "Man merkt von Anfang an, dass man nicht ein Auto lenkt, sondern an die Schienen gebunden ist.
    Ich habe mir das immer schön vorgestellt, und es ist auch so eingetroffen."

    Die Belastung, jederzeit voll konzentriert zu sein, macht einem Neuling zu schaffen.
    "Ich hatte in meinem früheren Beruf in Karlsruhe zu tun und bin an einem Tag hin- und zurückgefahren.
    Die Kilometerleistung mag nicht übereinstimmen. Aber die volle Konzentration beim Tramfahren fordert mich ähnlich wie damals.
    Dazu kommt die große Verantwortung."

    Pünktlich, aber nicht zu schnell
    Nach dem Bestehen der theoretischen Prüfung bekommt der Fahrschüler seinen individuellen Lehrer und fährt für rund drei Wochen im Plandienst,
    natürlich mit Fahrgästen. Dann folgt die Prüfungsfahrt.
    "Ich habe eine große Basel-Rundfahrt gemacht, zum St. Jakob-Stadion, über das Nadelöhr am Barfüsserplatz,
    zurück zum Stadion und über das Kunstmuseum und den Riehenring zum Depot am Wiesenplatz, insgesamt 45 Minuten.
    Fehler, zum Beispiel bei der Vorfahrt, werden nicht akzeptiert. Aber bei mir hat alles geklappt."

    Nun gilt es vor allem, pünktlich zu sein. Wer wartet schon gern auf seine Fahrgelegenheit?
    "Man muss also zügig fahren und den Fahrplan einhalten, aber nicht zu schnell, denn unter den Passagieren sind ältere Leute,
    und wenn man da sehr schnell bremst, können sie den Halt verlieren. Vorausschauendes Fahren ist gefragt."

    Hin und wieder meinen Autofahrer, noch so ganz kurz vor dem Tram einscheren zu müssen. "Da", sagt Önal, "muss die Schienenbremse runter."

    Höchste Konzentration gefragt
    In jedem Augenblick ist höchste Konzentration gefragt. "Wenn man da vorne drin sitzt, bekommt man viele Eindrücke,
    von vielen Menschen, da ist ein hübsches Mädchen, da sind Leute, die sich unterhalten, Leute, die sich streiten, da sieht man ein tolles Auto
    – aber bei alledem ist man verantwortlich, für die Fahrgäste, für andere Verkehrsteilnehmer, schließlich für sich selbst."

    Basel am Abend, da könne es ja sein, dass auch in der Tram schon einmal etwas passiert. Üryan Önals Erfahrungen sind anders:
    "Einmal gab es Lärm hinten im Wagen.

    Da habe ich eine Ansage gemacht und um Ruhe gebeten. Die Mädchen haben noch gekichert, aber dann war die Ruhe wiederhergestellt.
    Ich glaube, dass die Passagiere auch Respekt vor uns haben. Schließlich sind wir in Uniform."

    Defensiv ist die Devise
    Wie geht er mit dem Vorurteil um, dass Tramfahrer die "Kings of the road" seien, die Könige der Straße, nach dem Motto:
    Wir sind viel größer als ihr und auch viel grüner? Die Antwort fällt Önal leicht:
    "Ich sehe da keine Versuchung, nur weil ich mit meinen knapp 50 Tonnen einiges auf die Straße bringe.
    In der Fahrschule werden wir ganz konsequent zum defensiven Fahren angehalten."

    Früher gehörten die Tramfahrer zu einem bestimmten Depot wie dem am Wiesenplatz oder am Morgartenring.
    Dieses System wurde vor einem Jahr aufgegeben, alle rund 300 Tramfahrerinnen und Tramfahrer sind nun auf allen Strecken eingewiesen.
    "Die Schichten werden im Computersystem eingeteilt, und mein ganz aktueller Dienstplan erscheint bei mir auf dem Smartphone."
    Neben den regulären werden die Tramfahrer auch zu Bedarfsarbeitszeiten eingeplant, wenn es Personalengpässe gibt.

    Ein echter Familienmensch
    Önal weiß: "Wenn man Tramfahrer werden will, dann weiß man, dass man an allen sieben Tage eingesetzt werden kann.
    Üblicherweise hat man vier oder fünf Tage hintereinander acht Stunden Dienst, dazwischen einen oder zwei Tage frei."
    Zwischen den Fahrten können nicht bezahlte Pausen von zwei bis zu vier Stunden eingeschaltet werden.
    "Schichtarbeit verlangt viel Verständnis von der Familie", sagt er, "aber diese Unterstützung habe ich. Sonst ginge es nicht.
    Durch die Arbeit bin ich ein echter Familienmensch geworden", sagt Önal,
    "ich sehe meine Familie nicht mehr so oft, manchmal nur eine Stunde, und dann natürlich an den dienstfreien Tagen."

    Badische Zeitung