Einmal mit dem 4er-Tram vom Süden in den Westen. Daraus entstand eine Ode an Zürich.
17. Februar 2015
Mein Kopf ist leer
Das Tram rieselt sacht in die Wildbachstrasse
Vorbei an Apotheken, Antiquitäten, die Strassen ruhig, der Reichtum sichtbar
Ein paar Plätze sind besetzt, höre Spanisch, verstehe nur Bruchstücke
Man sollte anderen nicht zuhören, nicht in fremde Gewässern fischen, auch an der Fröhlichstrasse ist das wohl kaum sittlich
Mein Kopf schüttelt sich, junge Gesichter mustern mich, ich kenne sie nicht
Raus aus dem Seefeld über die Feldegg ins Wirrwarr der Stadt, wir merken es kaum, doch ein neuer Abschnitt beginnt
Schon sind wir beim Opernhaus, des Trams Auftakt ist wenig meisterlich
Man fühlt's, das Leben ist kein Spitzentanz, so setzt man sich geschwind
Mein Kopf verrenkt sich, es gibt Dinge, die gibt es nur einmal, nennen wir sie legendär, den Sternen Grill und das Odeon
Suche die Bergen hinter dem Bellevue, die Sicht war auch schon besser, aber im Grunde kenn ich das alles schon
Am Limmatquai scheint die Zeit still zu stehen, seit der Kran verschwunden ist, dürfte alles wieder beim Alten sein
Mein Kopf füllt sich, der Umsturz liegt weit zurück, so auch die Pest,
die einst mal diese Stadt ausrottete, der Alte Brun beobachtet uns, verewigt in Stein
Mein Kopf schwebt, meine Augen fixieren die heilige Meerjungfrau auf dem Starbucksemblem
Im Hotel Limmathof wird geputzt, so putzt sich ein Obdachloser lieber selbst auf einer Bank, die Strasse spaltet sich
Mein Kopf ist schwer, die Punks haben die Kreuzung beim Bahnhof Quai verlassen, die Kälte wurde wohl zum Problem
Wo sind sie hin, zurück in ihren behüteten Villen, zurück zu Hotel Mama, wo sind unsere Punks, das frage ich mich tatsächlich?
Mein Kopf hebt sich, das nur scheinbar alt aussehende Landesmuseum verdeckt ein dunkles Geheimnis der Stadt
Platzspitzpark, so soll es heissen, es ist nicht lange her, und doch schon völlig vergessen aus der städtischen Erinnerung gelöscht
Das Elend vergraben, die Junky-Seelen schweben über dem Letten, so schnell verlassen sie uns nicht, dafür war ihre Zeit zu gut
Mein Kopf senkt sich, das Drogenbild erlischt, es wird verschwinden, zuerst in den Köpfen, bald auch aus den Archiven
Mein Kopf brummt, ein Kleinkind schreit, Reime über Tits'n'Ass, Whiskey und Hip Hop sind nicht mehr, heute essen dort Öko-Mamis mit ihren Kindern veganische Döner
Es beginnt das westliche Paradies, Integrität und Individualität werden gross geschrieben
Man findet sie in den Galerien an der Limmatstrasse, Kunst vermittelt das Unausprechliche und etwas mehr
Mein Kopf dreht sich, so viele starren nur auf ihr Telefon, ohne jemals den Kopf zu heben, und wir wundern uns, dass wir uns ständig einsam fühlen?
Mein Kopf wird erleuchtet, seh ich zum ersten Mal Strassenkunst, so gross, dass ich es nicht verneinen kann
Beim Schiffbau fühl ich mich gestrandet, da gehen Lichter auf, beleuchtet ist auch das Mafioso Geschäft New Point, macht der jemals die Lichter aus?
Mein Kopf ist ziemlich verwirrt, das Novotel scheint kahl und entvölkert, auf der Pfingstweid gibt es schon lange kein Gras mehr, oben geht's zur Autobahn
Warum die Swisscom ihr Gebäude auf Englisch angeschrieben hat, würde ich gerne mal wissen, jetzt geht's nur noch geradeaus
Mein Kopf ist orange, das grosse M der Migros scheint grotesk und imposant, Studenten steigen ein mit starren Minen
Schauen mich an, niemand spricht, nie spricht jemand, vom Sportweg in die Argauerstrasse führen triste Strassen, karges Industriegelände
Das Einzige Grün weit und breit ist das Gras in der Generation M Werbung der omnipräsenten Migros
Mein Kopf ist dumpf, beim Würzgraben ist alles dunkel, erhängen könnte man sich hier, keiner würz merken
Vom Süden in den Westen, es ging schneller als gedacht
Wir sind angekommen, mein Kopf ist voll
Das Tram leer
Und so bleiben wir eine Weile stehen.
http://www.westnetz.ch/story/tramfahrt 17. Februar 2015