Argumente des Nein-Komitees - Kritik an der Abstimmungszeitung
Das Komitee Pro Zürich-West hält eine neue Tramlinie für unnötig, weil das Quartier genügend gut erschlossen sei. Kritisiert werden der Stimmzettel und die Abstimmungszeitung: Diese enthielten falsche Angaben zu den Kosten und zum finanziellen Beitrag der Stadt Zürich.
Am Dienstag haben die Gegner der geplanten Tramlinie Zürich-West alte und neue Argumente gegen das Vorhaben vorgebracht. Im Zentrum stehen noch immer zwei Kritikpunkte, wie Umweltnaturwissenschafterin Tania Schellenberg erläuterte: Mit dem Tram werde gleichzeitig eine Autobahn mitten durchs entstehende Quartier verlegt. Und der Bahnhof Hardbrücke werde mit der neuen Linie zu wenig gut erschlossen; bis zum Bahnhof müssten Passanten künftig 330 Meter zurücklegen und dabei die vielbefahrene Pfingstweidstrasse überqueren.
Zürich-West ist gut erschlossen
Die Gegner des Vorhabens sind im Referendumskomitee «Pro Zürich-West» zusammengeschlossen. Zur Gruppe gehören laut Schellenberg unter anderem die Alternative Liste (AL), die CVP 4/5, die Jungen Grünen, Exponenten der SP, die IG Hardturmquartier sowie der Quartierverein Industrie. An der Medienkonferenz wurde im Detail dargelegt, warum nach Ansicht des Komitees die neue Tramlinie für die Erschliessung des Quartiers unnötig ist. Der äussere Kreis 5 sei bereits bestens an den öffentlichen Verkehr angebunden, erklärte Verkehrsplaner Paul Stopper: An der S-Bahn-Haltestelle Hardbrücke halten 8 S-Bahn-Linien. Die Tramlinie 4 verkehrt in dichtem Takt, ebenso die Buslinien 32 und 72. Laut Stopper rechnet die Stadt mit zu vielen Passagieren für das neue Tram. Der grösste Teil der Arbeitnehmer im entstehenden Quartier werde nämlich von ausserhalb der Stadt mit der S-Bahn anreisen und nicht das Tram benutzen.
Neben der weiten Distanz zwischen Bahnhof Hardbrücke und Tramhaltestelle Schiffbau ortet Stopper beim Projekt Tram Zürich-West noch weitere Defizite. Die Stadt plane, die Tramhaltestelle Escher-Wyss-Platz in die Limmatstrasse zu verlegen. Das verschlechtere die Umsteigebeziehung zu den Bussen 32 und 72 auf der Hardbrücke massiv. Weil die Passagiere für das neue Tram fehlten, sei zudem auf Jahre hinaus mit hohen Betriebsdefiziten zu rechnen. Das führe dazu, dass Geld für andere wichtige Projekte des öffentlichen Verkehrs fehle. Als Alternative schlägt Stopper eine Buslinie vor. Diese würde vom Bahnhof Hardbrücke (Bushaltestellen auf der Hardbrücke) via Gerold-Rampe in die Pfingstweidstrasse führen. Ausgangspunkt der neuen Linie könnte zum Beispiel der Albisriederplatz sein. Die Linie 54 in der Pfingstweidstrasse würde beibehalten werden. Ausserdem fordert Stopper einen Ausbau des Bahnhofs Hardbrücke, so etwa die Schaffung eines neuen Westausgangs und neue Aufgänge auf die Hardbrücke.
Tram in Wahrheit teurer?
Unzufrieden ist das Komitee nicht nur mit dem Projekt Tram Zürich-West, sondern auch mit der Abstimmungszeitung. Sie enthält laut einem Papier von AL-Gemeinderat Niklaus Scherr «verschwiegene Tatsachen, Halb- und Drittelswahrheiten». So werde unterschlagen, dass die Gesamtkosten für das Projekt nicht bei 59 Millionen Franken lägen, sondern 74 Millionen betrügen. Laut Niklaus Scherr müssen 15 Millionen für den Bau von Werkleitungen hinzugerechnet werden, die der Stadtrat in eigener Kompetenz bewilligt habe. Sodann müsse die Stadt einen Drittel des auf 4 bis 6 Millionen Franken geschätzten Betriebsverlusts der Linie finanzieren. In der Abstimmungszeitung stehe einzig der Satz, der ZVV übernehme die Betriebskosten. Die Stadt Zürich decke aber knapp einen Drittel des ZVV-Defizits.
In der Abstimmungszeitung ist laut Scherr auch nicht aufgeführt, dass der Kanton höchstens 90 Millionen Franken an das Projekt Tram Zürich-West bezahlt. Allfällige Mehrkosten gingen damit zulasten der Stadt. Neben der Abstimmungszeitung nimmt Scherr auch den Stimmzettel unter Beschuss. Auf diesem müsste seiner Meinung nach erwähnt sein, dass die 59 Millionen Franken nicht nur dem Bau des Trams dienen, sondern auch dem Umbau der Hard- und der Aargauerstrasse.
Das Komitee forderte den Stadtrat in einem Brief auf, die kritisierten Mängel mit Inseraten in der Tagespresse richtigzustellen. Laut einer Sprecherin des Departements der Industriellen Betriebe wird diese Forderung demnächst in einer Stadtratssitzung thematisiert werden. Das Komitee behält sich im Brief zudem ausdrücklich «weitere Schritte» vor. Niklaus Scherr erklärte zwar, das Komitee sei nicht «rekursgeil». Es sei aber eine andere Frage, ob jemand aufgrund der vom Komitee aufgeführten Mängel das Abstimmungsresultat vom 17. Juni anfechten werde.
Zum Tram Zürich-West findet am Dienstag, 5. Juni, ab 19.30 Uhr eine kontradiktorische Podiumsdiskussion statt. Teilnehmen werden die Stadträte Martin Waser und Andres Türler, ETH- Professor Ulrich Weidmann, SP-Gemeinderat Markus Zimmermann, SVP-Kantonsrat Alfred Heer sowie der Stadtforscher Richard Wolff. Veranstaltungsort ist das Restaurant Weisser Wind an der Oberdorfstrasse 20.