Dann müssen wir aber eine grundsätzliche Diskussion über den Sinn und Zweck des Wisenbergtunnels führen. So wie ich es verstehe, ist es ein wichtiges Anliegen, dass der WBT auch vom Güterverkehr genutzt wird. Klar ist, dass es gemäss der bis und mit Bahn 2000 verfolgten Philosophie war, dass Neubaustrecken dem schnellen Personenfernverkehr dienen, und die bestehenden Strecken dem Regional- und Güterverkehr.
Was den Güterverkehr allgemein und die Problematik der Strecke Basel-Olten betrifft, denke ich hingegen, dass der Trend je länger je mehr dahin geht, den Güterverkehr auf NBS zu verlagern, um die Bevölkerung zu entlasten. Ganz deutlich sieht man es an der Oberrheinstrecke: Gerade beim Katzenbergtunnel war es das zentrale Anliegen der Anreiner der alten Strecke, dass die Güterzüge durch den Tunnel geleitet werden. Auch die NBS bei Freiburg i.B. dient dem Güterverkehr, der so um Freiburg umgeleitet wird, das so entlastet wird.
Analog dazu muss m.E. dank dem WBT sowohl das Ergolztal als auch das Fricktal zumindest teilweise vom Güterverkehr entlastet werden. Ich bin mir dessen bewusst, dass hier die Kapazitätsfrage zentral ist: Können sowohl die schnellen Fernverkehrszüge als auch ein substanzieller Teil des Lötschberg- wie auch des Gotthard-Güterverkehrs durch den WBT geleitet werden? Und wie/wo durch geht es weiter? Eine wahre Knacknuss!
In der öffentlichen Diskussion ist erwähnt worden, dass der Aargau sich vom WBT eine Entlastung des Fricktals erhofft. Ich kenne die Pläne für die Überwerfungsbauwerke bei Olten-Nord nicht, angesichts der genannten 5-6 Mlrd. für den WBT mit allem drum und dran scheinen sie mir aber ziemlich umfassend zu sein (für die zwei IC Richtung Zürich braucht es jedenfalls keine Überwerfung, die über die recht bescheidenen Pläne des Eppenbergtunnels hinausgehen). Von Interesse dürfte die (mittlerweile auch schon 5+ Jahre alte) SBB-Studie sein, die die Auswirkungen eines dritten Juradurchstichs und damit des Nord-Süd-Verkehrs auf die Ost-West-Achse hätte (wenn jemand Zugriff auf diese Studie hätte, wäre ich sehr daran interessiert!).
So wie der Wisenbergtunnel heute angedacht ist, dient er m.W. vor allem dem IC-Verkehr, während die IR allesamt über die alte Strecke fahren würden. Da wäre also durchaus Luft für einige Güterzüge. Wobei es freilich sehr anspruchsvoll ist, den Gotthard-Güterverkehr über Aarau-Lenzburg zu führen - da sehe ich es auch noch nicht ganz, wie das gehen soll.
Sollte es keine Verlagerung des Güterverkehrs in den WBT geben, müsste ich allerdings den WBT grundsätzlich in Frage stellen. Für die IC alleine lohnt sich die Investition nicht, vor allem angesichts des genannten äusserst bescheidenen Zeitgewinns von 4 Minuten! Dann wäre ein Ausbau in bescheidenerem Masse angebracht, der aber politisch im Moment zumindest in BL keinerlei Rückhalt hat.
Aber vielleicht sind all die genannten Probleme ein wichtiger Grund, warum der Wisenbergtunnel beim Bund und bei den SBB eine derart unterirdisch tiefe Priorität hat. Ich habe das Gefühl, dass es einfach unmöglich sein wird, all die divergierenden Interessen und Forderungen (Entlastung vom Güterverkehr, Lösung aller betrieblicher Herausforderungen, signifikanter Nutzen für den Fernverkehr) konzeptuell irgendwie zu vereinen...