Combino-Krise: Presse, Siemens und BVB

  • Für rasch Entschlossene: Heute nacht seit Betriebsschluss verkehrt der 328 vollbepackt mit Kabelsträngen, PC-Monitoren und demontierten Teilen der Innenverkleidung nach Riehen (sieht aus wie aus der Geisterbahn entflohen) und pendelt in der Pfaffenloh-Kurve. Zuvor rollte er auf der Achterlinie, drinnen eine Heerschar von Siemens-Technikern. Laut zuverlässigen Angaben werden die Gelenkbereiche geprüft und gemessen, weil dort Probleme aufgetaucht seien, die in der Konstruktionsphase nicht vorausgesehen wurden. Solche Probleme im Gelenkbereich würden sich nicht nur in Basel zeigen, sondern auch in Freiburg und in Amsterdam.

  • Die Testfahrten scheinen weiter zu gehen, ..., habe dieses total verkablete Unding heute Abend gegen 21 Uhr an der Schifflände gesehen in Richtung Kleinbasel fahren.

    Weiss jemand mehr darüber?? ?(

  • Gemäss den Medien will SVP-Grossrat Bachmann das Combino-Drama politisch ausschlachten und die BVB zwingen, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Ihn interessieren die wirklichen Gründe für die vielen Ausfälle und Stillstände. Aber auch die Kosten dieser Ausfälle und deren Reparaturen, über welche ja bekanntlich nicht gerne oder nur pauschal gesprochen wird. Und er möchte auch Auskunft darüber, wieviel Siemens nun wirklich an die Schäden bezahlt.
    Man darf gespannt sein.

  • Sicher darf man gespannt sein. SVP-Grossrat Bachmann ist mit seiner Denkweise aber leider in den sechziger Jahren stehen geblieben und ist ein bekennender Gegener des öffentlichen Verkehrs. Es geht im wohl nur darum, den BVB wieder einmal eines ans Schienbein zu hauen.

  • BASEL. - Mit grobem Geschütz fährt der Basler SVP-Grossrat Kurt Bachmann gegen die von OnlineReports erstmals publik gemachten Konstruktionsmängel - Risse an tragenden Teilen - an den neuen Combino-Trams der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) auf: Es bestünden "reale Befürchtungen", dass sämtliche 28 Combinos vom Hersteller Siemens "nicht dauerhaft repariert werden könnten. Dies könnte die grösste Tragödie in der Geschichte der Basler Verkehrsbetriebe werden". In einer Interpellation beruft sich Bachmann auf eine von der CDU-Stadtratsfraktion Potsadam herausgegebene Studie "Combino im Städtevergleich" vom 23. September letzten Jahres. Dieses Dokument fördere eine "veritable Combino-Misere ohne sicheren Ausweg in den Städten Amsterdam, Augsburg, Freiburg, Nordhausen und Potsdam" zutage. Die auch an den Basler Combinos aufgetretenen Mängel gingen offensichtlich über das hinaus, was die BVB-Leitung bisher zugegeben habe. Drei Mängelbereiche führt Bachmann auf:

    • Das starre Fahrwerk leite die beim Fahren auftretenden Stösse und Kräfte in horizontaler Richtung völlig ungedämpft an die Wagenkonstruktion weiter. Angeblich wolle Siemens das starre Fahrwerk gegen ein Drehgestell mit begrenztem Drehwinkel austauschen.

    • Für die im grossen Umfang geschraubte Combino-Konstruktion, die in erster Linie aus Kostengründen gewählt wurde, hätten bezüglich Strassenbahnen "keinerlei positive Erfahrungen" vorgelegen.

    • Der beim Combino verwendete Werkstoff Aluminium werde im Zusammenhang mit der Schraubkonstruktion als doppelt kritisch angesehen. Siemens habe sich bei der Combino-Konstruktion offenbar fälschlicherweise davon leiten, "dass Aluminium bei gleicher spezifischer Stossbelastung höhere Stossenergien als Stahl elastisch aufnimmt". Bachmann spricht auch von einem nicht näher ausgeführten "Gefährdungspotenzial" bei einer "zufälligen Berührung der Antriebselemente" und stellt der Regierung zum Combino-Komplex mehrere Dutzend Fragen.

    (© OnlineReports.ch 7. Februar 2004)

  • Die gesamte Flotte der 28 Basler Combino-Niederflurtrams wird ab dem (morgigem) Samstag aus technischen Gründen stillgelegt. Diese teilten die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) am frühen Freitagabend mit. ?(

    Über die Hintergründe sollte an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz informiert werden. Bereits im vergangenen Sommer waren an den Combino-Trams der BVB im Bereich der Portalbögen zwischen den einzelnen Fahrzeugteilen Risse aufgetreten. Diese wurden auf Kosten der Herstellerfirma Siemens im Rahmen der Garantie repariert. Die ersten der 43 Meter langen, klimatisierten Combino-Trams waren 2001 in Betrieb genommen worden.

    (Quelle: Baz-Online)

    Anmerkung: Einmal mehr erhalten wir BVB-Angestellten die Informationen über Änderungen im Betrieb zuerst von anderer Stelle. Die interne Kommunikation hinkt da deutlich hinterher. :(

  • @ stiefelpalast: Ist wohl alles eine Frage der Kosten. Der Betrieb kann zumindest heute ohne Probleme aufrecht erhalten werden, auf den Hauptlinien 1/14 + 6 + 8 fahren wie gewohnt Grosszüge. Noch vor wenigen Jahren waren Standardzüge auf den L2 und L3 Alltag, mit dem L1/14-Ast werktags (muss natürlich vor L2 am BB abfahren) sollte auch die L2 "überleben" können.

    Da die Belgrad-Kandidaten wohl nochmals für Basel flott gemacht werden, kann den Solo-Düwags der L2 und den Gummikuh-Zügen der L3 noch ein Anhänger angehängt werden, was doch wieder bis zu 50 % mehr Kapazität gibt.

    Und es hat ja immer noch eine kleine Reserve. Die fahrbereiten Düwag 626, 642, 645 und 656 waren zumindest am Morgen nirgendwo auszumachen

  • So sehr ich mich über die vielen interessanten Kompositionen freue (sogar solche, die es bisher überhaupt noch nie gegeben hat), stimmt mich die ganze Geschichte nachdenklich:
    - Eine ursprüngliche Elektrofirma schnappt sich eine renomierte Wagenschmiede nach der andern (z.B. Düwag) im Wahn grenzenlosen Wachstums. Die ehemals stolzen Wagenbauer in der Schweiz wurden ebenfalls alle kaputtfusioniert und die Arbeitsplätze vernichtet. Und was kommt auf den Markt an Stelle der einst qualitativ guten und langlebigen Fahrzeuge: Aluschrott, auf dem Reisbrett entworfen, und in der Hoffnung raschen Gewinns als Einheitsprodukt weltweit möglichst schnell auf den Markt geworfen. Man hat ja kaum Konkurenz, man kann sich alles leisten.
    - Den Kunden (damit meine ich sowohl die Verkehrsbetriebe als auch die Fahrgäste) wird die 100%-Niederflurtechnologie als der Weisheit letzter Schrei gepriesen und neue Bedürfnisse geweckt, alles mit Blick auf grenzenloses Wachstum (siehe oben).
    - Eigentlich haben die BVB ein dickes Lob verdient: Sie waren vorsichtig genug, eine genügend grosse Wagenreserve zu behalten, obwohl es auch Leute gab, die am liebsten alle Düwags verschenkt oder verschrottet hätten. Dank vorsichtiger Rollmaterialpolitik sind sie heute in der Lage, eine Krise bravurös zu meistern, die es wahrscheinlich in diesem Ausmass noch nie gegeben hat. Mich nimmt wunder, wie andere Verkehrsbetriebe das Combinoproblem lösen werden, solche, die alles auf die Combinokarte gesetzt haben und leichtfertig und vorwitzig das konventionelle Rollmaterial verschrottet haben (Amsterdam).
    - Für die Herstellerfirma der Combinos dürfe der Schaden immens sein, nicht nur der direkte materielle Schaden durch die Combinos, auch der Ruf ist im Eimer und die Glaubhaftigkeit dahin. Ich hoffe, dass bei der Entwicklung künftiger Fahrzeuge die Erfahrung der Praktiker wieder höher gewichtet wird, und dass auch Entscheidungsträger daraus ihre Lehre ziehen.
    - Vor etwa 2 Jahren habe ich geschrieben, dass ich befürchte, die unausgereifte Niederflurtechnologie könnte eine Bedrohung für den Trambetrieb generell werden (womit ich nicht die BVB meine). Ich dachte damals nicht, dass ich so schnell Recht bekommen würde.

  • Stillgelegte Combinos: Gedränge blieb aus

    Gehts am Ende gar ohne Combinos? Das grosse Gedränge und die Reklamationen blieben am ersten Werktag nach deren Stilllegung nämlich aus.

    Stattdessen war das Expertenteam von Siemens schon am Sonntag angerückt und nahm die Abklärungen bereits in Angriff. «Bis jetzt sieht alles sehr gut aus», meint BVB-Sprecher Pius Marrer. Wie es jedoch weitergeht und wann die Trams wieder einsatztbereit sind, ist nach wie vor unklar.

    Quelle: Baslerstab

  • Man kann nur hoffen, dass hier - analog wie in Potsdam - Siemens für eventuelle Schäden an Oldtimern haftbar gemacht wird. Dies fällt unter das Kapitel "Instandsetzungskosten".

    In Potsdam werden die Combino-Kurse parallel mit Nf-Bussen gefahren, für was Siemens auch haftbar gemacht wird ("Mobilitätseinschrankungen für Behinderte"... dabei hätte doch gerade der Combino das beseitigen sollen :D

  • Gestern nacht war auch ein Combino unterwegs, dürfen wohl - mit der einen Ausnahme heute - nur noch fahren, wenn es niemand sieht ;) ... oder nie mehr sehen will :D

    Heute hatte es auf dem 3er schon Be4/6s+Be4/4... desto länger die Woche ging, desto länger wurden auch die Trams :]