Die Verkehrsbetriebe Zürich wollen der ukrainischen Stadt Vinnitsa zwei Dutzend gebrauchte Trams schenken.
Von Jürg Rohrer
Vinnitsa im Westen der Ukraine hat 380 000 Einwohner und bezeichnet sich auf seiner Homepage als «one of the most lovely small cities in Ukraine». Worauf bald der Link zu einer Heiratsvermittlung folgt. Vinnitsa hat fünf Tramlinien mit einem Streckennetz von 17 Kilometern, was ungefähr demjenigen der Stadt Bern entspricht. Täglich werden mit 60 Wagen über 150 000 Passagiere befördert.
Doch die Trams sind alt und klein, weshalb der städtische Verkehrsbetrieb Ausschau hält nach geeigneten gebrauchten Fahrzeugen. Die Stadt bat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) um Hilfe; das wiederum wandte sich an die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), wie in der neuen Ausgabe der Personalzeitschrift «Regenbogen» zu lesen ist.
Tatsächlich mustern die VBZ in den nächsten Jahren viele Trams aus. Zuerst die 15 «Karpfen» aus dem Jahr 1959, die heute meistens noch auf der Linie 5 anzutreffen sind; später dann die 90 «Mirages» aus den Jahren 1966/68 - die mit dem Doppelgelenk und dem mühsamen Einstieg. Dafür werden bis 2009 mindestens 74 Cobras in Betrieb genommen.
Die VBZ sind bereit, 12 oder 13 «Karpfen» und die gleiche Menge «Mirages» zu verschenken. Rund zwei Dutzend zusätzliche Trams braucht Vinnitsa, um den Bedarf auf den zentralen Linien zu decken. Dies ergab ein Besuch von zwei Mitarbeitern des Seco im Juli, bei dem auch klar wurde, dass der Einsatz der Zürcher Trams technisch möglich wäre.
Der Bund zahlt
Demnächst wird sich eine Delegation aus Vinnitsa in Zürich den «Karpfen» und die «Mirage» genau ansehen und mit dem Seco das weitere Vorgehen besprechen. Danach müssen beide Seiten definitiv entscheiden, ob sie den Handel durchführen wollen. Für die Trams zahlt Vinnitsa den VBZ nichts; der Transport, die wichtigen Ersatzteile und die Ausbildung des Personals in der Ukraine werden vom Seco übernommen. Ungefähr zwei Millionen Franken wird das kosten, finanziert aus dem Kredit für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern Osteuropas.
Schon jetzt sucht das Seco pensionierte VBZ-Handwerker, die in Vinnitsa bei der Revision und beim Unterhalt der ersten Zürcher Trams mithelfen. Wenn alle zustimmen, werden im Januar 2007 die ersten Trams nach Vinnitsa transportiert, wo sie dann statt in Blau-Weiss in Gelb-Braun herumfahren werden.
Warum verschenken die VBZ ihre Occasionen eigentlich, warum verkaufen sie sie nicht? Mit einem Verkaufsvertrag seien rechtliche Verpflichtungen verbunden, erklärt VBZ-Sprecher Andreas Uhl. Auf mögliche Haftungsfragen für ihre alten Fahrzeuge wollten sie sich aber nicht einlassen. Garantien könnten sie auch deshalb nicht geben, weil die mit den alten Modellen vertrauten Techniker bald alle pensioniert und Ersatzteile kaum mehr aufzutreiben seien. Laut Uhl gibt es immer wieder Anfragen von Städten, Konsuln oder Händlern für gebrauchte Trams oder Busse, oft wirkten diese aber wenig seriös. Mit dem Seco jedoch hätten die VBZ den bestmöglichen Partner.
Nach Madagaskar und Nordkorea
Dass Schweizer Trams am Ende als Entwicklungshilfe dienen, hat Tradition. 2004 wurden 6 Triebwagen der Forchbahn nach Madagaskar verschenkt, 2003 erhielt Iasi in Rumänien Berner und 2001 Belgrad Basler Trams. 18 Zürcher Trams wurden 1995 sogar nach Nordkorea verschifft.