Sparpläne des Bundes: Bald ein "Regio-S-Bus"?

  • Das hat BAV einen Entwurf für eine Verordnung in die Vernehmlassung geschickt, der ordendlich Zündstoff beinhaltet: Für jede Regionalbahnlinie, die einen Kostendeckungsgrad von unter 50% aufweist, soll periodisch überprüft werden, ob man sie nicht auf Bus umstellen soll. Wer denkt, es handle sich nur um ein paar Nebenbähnchen (was ja schon schlimm genug wäre), irrt sich: Betroffen sind 175 Verbindungen. Darunter auch so ziemlich alle Regio-S-Bahn - Linien (nicht nur die S9) und das Waldenburgerli!

    Offenbar ist da jemandem in Bern ziemlich die Sicherung durchgebrannt. Die Liste (http://www.20min.ch/pdf/bahnliste.pdf) ist absolut absurd. Man finder auch die Glattalbahn, den Vereinatunnel oder die Strecke Visp-Disentis (also eine "Glacier-Express - Strecke") darauf...

    Nun gut, es handelt sich ja erst um einen Vernehmlassungsentwurf, aber etwas ist klar: Es könnte schon bald ein Bähnlisterben wie in den 50er-Jahren drohen...

  • Die Liste ist in der Tat völlig absurd. Sogar Linien der Zürcher S-Bahn sind dabei, wie z.B. die S14 auf dem Abschnitt Zürich-Wetzikon! Notabene: Diese Linie fährt in Spitzenzeiten mit bis zu 300m langen 3-fach-Kompositionen.

    Diese Vorlage ist offensichtlich von einem Schreibtischtäter erstellt worden, der absolut keine Ahnung hat. Sonst wäre es ihm in den Sinn gekommen, nicht nur den Kostendeckungsgrad, sondern als zusätzliches Kriterium zumindest die Anzahl Passagiere zu nehmen. Dann wäre ihm vielleicht (aber wohl wirklich nur vielleicht...) in den Sinn gekommen, dass es widersinnig sein könnte, einen mit über 1000 Passagieren besetzten Zug durch einen Bus zu ersetzen...

    Einmal editiert, zuletzt von TRJS (15. Oktober 2012 um 19:57)

  • Das ist völlig absurd. Als vor ein paar Jahren die Beibehaltung des Bahnbetriebs der Linie Solothurn - Niederbipp resp. der Ausbau bis Oensingen der Umstellung auf Bus gegenüber gestellt wurde und von wirtschaftlicher Seite durchgerechnet wurde, kam sehr deutlich heraus, dass auf Dauer ein Busbetrieb für diese Linie deutlich teuer gekommen wäre, abgesehen davon, dass mit der Einstellung des Bahnbetriebs auch der komplette Wert der Infrastruktur vernichtet worden wäre.
    Auschlaggebend für die höheren Kosten des Busbetriebs waren die längeren Fahrzeiten, die trotz Gelenkbussen kleinere Kapazität und damit ein wesentlich höherer Personalaufwand. Wie will man da zB bei der S1 mit dem Bus günstiger fahren?

  • Mir kommt dabei nur eines in den Sinn: Es gibt nichts was es nicht gibt. :( Unglaublich diese Ignoranz! Und wie wenig Ahnung solche Leute oftmals haben… Davon mal abgesehen kostet schon jede Umstellung sehr viel, z.B. Kauf neuer Busse etc., ausserdem ist ja wohl allen klar, dass es unglaublich schade um die Infrastruktur jeder Bahn ist, wenn diese schon vorhanden ist und man diese einfach "wegwirft". Aber wir Schweizer wollen ja lieber unser Geld für das Militär aus dem Fenster schmeissen :evil: (sorry aber das musste jetzt mal gesagt werden ;) )

  • Meine Idee wäre: Abbau von den Schreibtisch-Tätern, die auf so einen Stuss kommen. DAS würde viel Geld sparen.

    Interessant ist es dennoch: ich dachte, ich hätte mal auf einer Liste gesehen, dass die Waldenburgerbahn eine Kostendeckung von über 50% hat. Ev. irre ich mich ja.

    Was mich auch erstaunt: Das sind doch Linien, die die Kantone bestellen und bezahlen. Was hat da der Bund zu sagen?

  • Zitat

    Was mich auch erstaunt: Das sind doch Linien, die die Kantone bestellen und bezahlen. Was hat da der Bund zu sagen?


    Habe ich eigentlich auch gemeint; laut http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-s…kehr-1.17680583 sollen jedoch Bund und Kantone gemeinsam zuständig sein. (???)

    Was die jetzt so Empörten übersehen: Es geht nicht um einen Antrag, alle Strecken mit einem Kostendeckungsgrad unter einem bestimmten Schwellenwert stillzulegen, sondern lediglich um die Forderung, sich über MÖGLICHE günstigere Alternativen Gedanken zu machen. Dies steht überhaupt nicht im Widerspruch zum absehbaren Ergebnis dieser Abklärungen, dass es in den meisten Fällen eben keine solchen Alternativen gibt. Und wenn es sie in vereinzelten Fällen vielleicht eben doch geben könnte, sollte man dies doch offen aussprechen und diskutieren dürfen.

    Bei der längeren der beiden Listen (176 Linien mit Kostendeckung < 50 %) geht es ja auch bloss darum, VOR ALLFÄLLIGEN ERHALTUNGSINVESTITIONEN abzuklären, ob der Weiterbetrieb überhaupt zweckmässig ist. Das finde ich absolut sinnvoll, von mir aus sollte man das sogar immer abklären, also auch bei rentablen Linien, denn gerade bei diesen könnte es durchaus auch Fälle geben, wo man die bestehenden Anlagen besser durch neue ersetzen würde.

    Hier (nochmals) die Links zu den beiden Listen:
    - 54 Linien mit Kostendeckung < 30 %: http://www.drs.ch/www/de/drs/nac…bahnlinien.html
    - 176 (177?) Linien mit Kostendeckung < 50 %: http://www.20min.ch/pdf/bahnliste.pdf

    Einmal editiert, zuletzt von Fahrer Schwarz (16. Oktober 2012 um 00:07)

  • Das ganze ist aber nicht ergebnisoffen formuliert. Scheinbar ist die zu untersuchende Alternative immer nur der Busbetrieb. Von anderen Massnahmen ist zumindest in de Presse nichts zu lesen. Evt. liesse sich der Kostendeckungsgrad massiv erhöhen, in dem Streckengeschwindigkeiten erhöht und die Linienführung verbessert würde und damit das Rollmaterial und das Personal effizienter eingesetzt (sprich es wäre bei der selben Transportleistung weniger Rollmaterial nötig) werden könnte.

  • Zitat

    Original von Citaro93
    Mir kommt dabei nur eines in den Sinn: Es gibt nichts was es nicht gibt. :( Unglaublich diese Ignoranz! Und wie wenig Ahnung solche Leute oftmals haben… Davon mal abgesehen kostet schon jede Umstellung sehr viel, z.B. Kauf neuer Busse etc., ausserdem ist ja wohl allen klar, dass es unglaublich schade um die Infrastruktur jeder Bahn ist, wenn diese schon vorhanden ist und man diese einfach "wegwirft". Aber wir Schweizer wollen ja lieber unser Geld für das Militär aus dem Fenster schmeissen :evil: (sorry aber das musste jetzt mal gesagt werden ;) )

    nein, nicht "Wir Schweizer" wollen das Militär sondern nur die Regierung.

    Und von mir aus, kann man diese Wehrpflicht auch endlich absetzten.

    aber ist Offtopic.

    Ja diese Büro Leute sind halt so was von nicht Praxisnah und wahrsch. musste einer davon mal wieder etwas an Arbeit liefern, also kommt sowas raus...

  • Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Das BAV hat einen Auftrag gekriegt. Es führte ihn mit voller Absicht so aus, dass das Resultat eintreten musste, das jetzt eingetreten ist.

    @ Renntrabi: Völllig einverstanden; fragt sich jetzt nur, wie es zu dieser Verkürzung kam.

  • Zitat

    Original von 4106
    ... und zur Vervollständigung noch die Sichtweise der BZ (MZ) mit durchaus interessanten Statements.

    Quelle: BZ (MZ) vom 16.10.2012

    Habe diesen Artikel heute beim Mittagessen gelesen, erscheint mit seriöser als der gepostete aus der BaZ.
    Es geht um den Busersatz u. a. auf S-Bahnlinien in Schwachverkehrszeiten. Dass nach 20.00 auf der S3 hinter Aesch bis gen Pruntrut wenig Nachfrage herrscht, liegt nahe. Und die S6 zwischen Bhf SBB und "Basel Bad" ist nach etwa 20.00 auch kaum besetzt. Da können die Passagiere auch das Trämli nehmen, das öfter fährt. Wer aus der "Inner-"Schweiz oder gar Westschweiz ins Wiesental möchte, findet sich oft mit schlechten Anschlüssen an die S6 konfrontiert. Statt ums Herzstück sollte sich Herr Tröger eher da drum bekümmern. Halbstundentakt auch an Sonn- und Feiertagen tagsüber könnte vielleicht den einen oder anderen motivieren, mit der Bahn in die Schweiz zu fahren.

  • Hier noch der entsprechende Vernehmlassungsentwurf. Einschlägig ist art. 19:

    http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/doc…komplett_de.pdf

    Hier der Begleitbericht. Es sind in diesem Zusammenhang v.a. die Seiten 12 und 13 interessant:

    http://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/doc…-Bericht_de.pdf

    Die ganze Sache ist meiner Meinung nach ein irrsinnger Blödsinn. Es wird, ähnlich wie im Gesundheitssystem mit Tarmed und DRG, ein riesiger bürokratischer Apparat aufgezogen, um die Wirtschaftlichkeit ständig neu zu prüfen. Die Überprüfung der Linien mit einem Kostendeckungsgrad von unter 30% alle 4 Jahre führt zu einer schon fast kafkaesken Situation: Wenn bei der Studie herauskommt, dass der Bahnbetrieb beibehalten werden soll, gibt es bald wieder eine Studie, bei der überprüft wird, ob ein Busersatz in Frage kommt. Kommt bei dieser Studie wieder heraus, dass der Bahnbetrieb beibehalten werden soll, gibt es bald wieder eine Studie, bei der überprüft wird, ob ein Busersatz in Frage kommt, u.s.w. Der einzige Ausweg ist der Busersatz, und zu diesem Resultat werden die Studien früher oder später kommen müssen, sonst hat sich die ganze Sache nicht gelohnt... Auch die Überprüfung von Linien, bei denen von Vornherein klar ist, dass sie nie und nimmer auf Bus umgestellt werden können, ist ein bürokratischer Leerlauf sondergleichen.

  • Beim Service Public sollte IMHO Kostendeckung eigentlich kein Thema sein, wobei Effizienz allerdings nicht schaden kann und auch die Kund_innen bzw. Steuerzahler_innen ein wenig entlastet. Was mir bei der S9 auffällt, ist dass keiner die Frage stellt, weshalb diese so einen tiefen Kostendeckungsgrad hat. Die dünne Besiedlung des Homburgertals alleine ist es nicht; meiner Meinung nach gibt es 2 andere Faktoren.

    Erstens, dass die S9 nur bis Sissach fährt, und die obere Hauentsteinstrecke mit der dünnen Besiedlung damit losgelöst betrachtet werden kann. Würde man die S9 z.B. mit einem Flügelzugkonzept mit der S3 nach Basel verlängern, wäre der Kostendeckungsgrad der gesamten Strecke schon höher. Allerdings wehren sich wohl die Bewohner_innen des Homburgertals gegen eine Verlängerung als S-Bahn bis Basel, da sie lieber in Sissach Anschluss auf den schnellen IR haben (was heute in der Gegenrichtung allerdings nicht der Fall ist).

    Und zweitens ganz klar die weitgehende Parallelführung des 108ers, der auch die Dörfer zentraler erschliesst. Zudem bietet der 109er Anschluss auf den 108er und nicht auf die S9. Wenn man eine Bahnlinie dermassen kannibalisiert, muss man sich nicht wundern, dass sie kaum rentiert. Es gibt wohl keinen besseren Weg, eine Bahnlinie zu beerdigen, als schon vor der Stilllegung den Bus in Betrieb zu nehmen. :rolleyes: Also müsste man diesen unbedingt zwischen Sissach und Buckten einstellen (ausser in der Nacht) und auf die Linienführung Sommerau – (Tschattnau –) Wittinsburg – Känerkinden – Buckten (– Diegten?) reduzieren. Das Problem ist halt, dass die Bahnhöfe der S9, insbesondere Buckten, schlecht mit einem Bus erreichbar wären, daher wäre diese Lösung mit Investitionen verbunden und es ist kurzfristig wohl günstiger, den 108er gleich bis Sissach zu führen. In Thürnen könnte man zudem eine S-Bahn-Station auf Höhe der Böckterstrasse erstellen und/oder die Erschliessung durch den 105er ausbauen. Und natürlich den Fahrplan des 109ers auf die Bahn abstimmen. Im gleichen Zug könnte man diesen auch über Ramsach nach Läufelfingen verlängern, damit das Bad Ramsach endlich auch einen ÖV-Anschluss erhält.


    Nebenbei erwähnt, das Argument der Ausweichstrecke dürfte mit dem Wisenbergtunnel dann keines mehr sein…