Neue Risse an den Combinos!

  • Für alle die keine Baz haben,hier der ganze Bericht aus der Baz vom 27.1.05


    Kaum geflickt, treten an Basler Combinos neue Risse auf. Wie es überhaupt zum Debakel kommen konnte, hat die Geschäftsprüfungskommission ermittelt. Doch deren Erkenntnisse bleiben bis nach der BVB-Abstimmung unter Verschluss .

    Die technischen Experten sind alarmiert. An tragenden Säulen bei den Türportalen der Combinos haben sich an einer neuen Stelle Risse gebildet. Völlig unerwartet; denn die Säulen wurden bereits schon einmal verstärkt und geflickt. BVB-Sprecher Pius Marrer bestätigt: «Betroffen sind zwei Fahrzeuge.» Die Schadensmeldung stellt zwar keine unmittelbare Beeinträchtigung der Sicherheit dar, sie macht den Fahrplan aber noch unwahrscheinlicher, den die BVB mit derCombino-Herstellerin Siemens für die Sanierung der Niederflurtrams abgemacht haben.
    Ende März, so die Vereinbarung, sollte ein fertiges und von unabhängigen Gutachtern abgesegnetes Sanierungskonzept vorliegen. Fehlt ein zur Umsetzung bereites Konzept, haben die BVB theoretisch das Recht, die Combinos an die Herstellerin zurückzugeben. Praktisch können die Verkehrsbetriebe allerdings nicht von heute auf morgen auf die 28 Fahrzeuge verzichten.

    zeitdruck. Selbst der Siemens nahestehende Verkehrsexperte Harry Hondius meint gegenüber der baz, Siemens werde erst Ende Mai ein Konzept vorlegen. Siemens-Sprecher Joachim Stark bleibt hingegen optimistisch: «Wir sind im Fahrplan.» Von den neuen Rissen an den Basler Combinos hatte er allerdings keine Kenntnisse.

    Offenkundig gehen die Meinungen auseinander, wie radikal die Sanierung der Niederflurtrams ausfallen muss. Die Palette der Vorschläge reicht von einfachen Verstärkungen der Schwachstellen bis zu einer völligen Neukonstruktion in Stahlbauweise. Von Alcan, die das Alu-Grip-Konzept der Combino-Karosserien entwickelt hat, hat Siemens keine Hilfe mehr zu erwarten. Alcan hat sich aus dem Tramgeschäft zurückgezogen. Denn die Probleme ihres Systems zeigen sich nicht nur bei den Combinos, sondern auch bei den in Zürich eingesetzten Cobras der Herstellerin Bombardier.
    Siemens versucht nun die Combinos teilweise zu schweissen statt wie bisher zu verschrauben. Bombardier hat dies bei den Cobras ebenfalls versucht, ist jedoch davon abgekommen und baut nun völlig neue, verschweisste Wagenkästen. Es wäre wohl auch für Siemens am einfachsten, den Combinos einen neuen Aufbau in traditioneller Bauweise zu verpassen. Aber Basel wäre damit nicht gedient: Die 42 Meter langen Vehikel mit der Klimaanlage auf dem Dach würden dadurch viel zu schwer, die Radachsen wären überlastet.

    Schadenersatz. Gleichzeitig mit dem Ringen um technische Lösungen verhandelt der Anwalt Professor Christian Brückner von der Basler Kanzlei Vischer mit dem Siemens-Konzern um Schadenersatzforderungen. Siemens hatte sich grundsätzlich bereit erklärt, die Kosten der Sanierung und des zusätzlichen Unterhalts zu bezahlen. Gemäss Zeitplan soll in den nächsten Wochen eine Vereinbarung vorliegen. Erst dann wird in groben Zügen abschätzbar sein, was das Combino-Debakel den Steuerzahler und die Firma Siemens kostet.

    Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates, die einen Bericht zum Combino-Grounding erarbeitet, wollte ursprünglich im Dezember ihren Bericht vorlegen. Um die Verhandlungsposition der BVB in den Schadenersatzverhandlungen nicht zu schwächen, hat die GPK aber beschlossen, mit der Publikation zuzuwarten. Erst nun wird allerdings deutlich, was der Entscheid vom vergangenen Jahr konkret bedeutet: Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Basel-Stadt stimmen am 27. Februar über die Ausgliederung der BVB in eine selbstständige Gesellschaft ab - ohne vom GPK-Bericht Kenntnis nehmen zu können.

    Abstimmung. Der GPK-Bericht ist dem Vernehmen nach zu zwei Dritteln geschrieben. Vorliegen dürften vor allem die Einschätzungen, ob etwa die BVB bei der Beschaffung der Combinos die Risiken genügend abgeklärt haben, oder etwa, ob der BVB-Verwaltungsrat seine Kontrollfunktion wahrgenommen hat. Beide Informationen wären dienlich bei der Meinungsbildung zur BVB-Abstimmungsvorlage. Doch selbst ein Umdenken käme zu spät: Nächste Woche nimmt das neugewählte Parlament die Arbeit auf. Die Publikation eines unfertigen GPK-Berichts steht nicht zuoberst auf der Traktandenliste.